Pablito
Acero und Tomico und wedelte mit dem Schwanz, sogar Uyuni, die Ziege,
meckerte fröhlich. Pablo aber ließ den Kopf hängen. Was war mit Pablo
geschehen?
Pablo konnte nicht sprechen.
Etwas saß in seiner Kehle, das seinen Mund stumm machte. Er schluckte und
schluckte, aber es ließ sich nicht vertreiben. So viele Wochen hatte Pablo voll
Sehnsucht auf den Besuch Aceros gewartet, um ihm stolz zu zeigen, daß er im
Schul-haus bei Christina wohnte. Nun war Acero endlich gekommen und auch
Tomico, aber der Bote hatte ihnen den Brief des Bischofs gegeben, der ihn,
Pablo, von allem Glück ausschließen würde.
»Führe uns zum Schulhaus,
Pablito«, bat Acero.
Pablo ging ihnen stumm voraus.
»Er ist krank«, sagte Acero
leise.
»Oder die Lehrerin schlägt
ihn«, flüsterte Tomico. Er ballte die Fäuste und blickte drohend vor sich hin.
»Ich werde Pablo entführen, wenn sie nicht gut zu ihm ist!«
Tomico glaubte fest daran, daß
Pablo ihn davor gerettet hatte, ein Dieb zu werden. Er hatte damals Acero im
Urwald gefunden. Acero war sehr gut zu ihm gewesen. Er hatte ihm Werkzeug
gegeben und ihn mitarbeiten lassen. Und das wäre nicht geschehen, wenn Tomico
damals Pablo nicht bei den drei Mangobäumen getroffen hätte. Er wäre ein Dieb
geworden und wäre vielleicht schon im Gefängnis. Nun aber war er ein
erfolgreicher Gummisammler. Bald würde er sich eine kleine Hütte bauen können.
Er konnte sich ein nettes Mädchen suchen und heiraten und viele Kinder haben.
»Ich werde Pablo entführen!«
versicherte er noch einmal.
Acero, der Ältere und Weisere,
legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir werden sehen, Tomico!« sagte er.
Aber auch Acero fühlte sich
beunruhigt. Das war nicht der Pablo, den er kannte, der tapfere kleine Junge,
der sich allein in den Sumpf gewagt hatte. Es schien, als könnte Pablo die Füße
nicht heben, er schlich dahin, als hätte ihn die Fieberkrankheit des Sumpfes
ergriffen.
Tomico dachte: Ich werde es
dieser Lehrerin schon zeigen! Doch als er Christina sah, vergaß er alle seine
wilden Gedanken. Tomico machte den Mund weit auf und starrte sie an. Christina
war schön. Ihr Haar glänzte in der Sonne. Ihre Augen lachten fröhlich. Ihre
Stimme klang weich. Ganz gewiß war sie nicht die Ursache von Pablos Kummer.
Christina begrüßte Acero und
Tomico voll
Freude. Niemals wäre Pablo zu
ihr gekommen, hätte nicht der alte Gummisammler ihn im Sumpf gefunden.
Christina aber konnte sich ein Leben ohne Pablo nicht mehr vorstellen. Längst
hatte sie den Brief an den Bischof zerrissen. So vieles hatte sich geändert,
seit Pablo bei ihr war. Die Kinder von Tupica kamen gern zur Schule, und die
Frauen fragten Christina um Rat, wenn eines ihrer Kleinen krank geworden war
oder sonst etwas sie beunruhigte.
Acero gab Christina den Brief
aus Puna. Ihr Gesicht wurde bleich, als sie ihn entgegennahm. Denn nicht nur
Pablo hatte Angst vor der Nachricht des Bischofs. Lieber Gott, dachte
Christina, laß mir Pablo! Sie setzte sich an den Tisch und las den Brief. Sie
schwieg, als sie fertig war. Der Brief lag in ihrem Schoß.
Pablo hatte sich abgewandt. Nun
war es geschehen! Onkel Juan würde kommen und ihn fortführen aus Tupica.
Es war still. Man hörte das
Gurren der Tauben auf den Dächern und das Lachen der Kinder auf den Straßen.
Acero und Tomico wußten nichts von Christinas und Pablos geheimer Furcht. Sie
schauten auf Christina und Pablo und wagten nicht zu fragen.
Endlich sprach Christina. Sie
sagte: »Pablito, der Bischof hat Onkel Juan und Tante Jacinta gefunden. Sie
sind arm und haben viele Kinder. Onkel Juan bittet mich, dich zu behalten.«
Pablo wandte sich um. »Ich muß
nicht zu Onkel Juan?« rief er.
»Nein«, antwortete Christina.
»Ich darf bei dir bleiben?«
»Ja, Pablo.«
»Immer?«
»Immer, Pablo!«
»Du schickst mich nicht fort?«
»Nein, Pablo!«
Pablo rief: »Acero, Tomico, ich
darf immer hier bleiben!«
Nun wußte er, warum er vorhin
nicht hatte sprechen können. Das Weinen hatte in seiner Kehle gesessen und ihn
stumm gemacht. Er lief zu Christina, und sie legte ihre Arme um ihn.
Christina bereitete ein
Festmahl für Acero und Tomico.
Aymara kam, um mitzufeiern.
Pablo aß so viele süße Kuchen, daß ihm schlecht wurde, aber er wollte auf
keinen Fall ins Bett gehen und sich niederlegen, obwohl alle sagten, er würde
sich dann wieder besser fühlen.
Acero und Tomico blieben eine
ganze Woche in Tupica. Als sie abreisten, versprachen sie, im nächsten
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