Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
wild.“
„Sind sie auch. Sie leben ja nicht im Stall und bewegen sich viel und deshalb ist ihr Fleisch auch so gut.“
Paloma sprang auf und warf die Arme in die Höhe und stieß dabei einen gutturalen Laut aus und wie auf Kommando setzte sich die Herde in Bewegung und stob so weit davon, dass sie kaum noch mit bloßem Auge zu erkennen war. Paloma lachte, und Philipp spürte, dass sie sich wohl fühlte. Und ihm ging es ebenso. Nicht weil sie ein paar magere Schweine gesehen hatten, sondern weil ihm wieder einmal bewusst wurde, wie richtig seine Entscheidung gewesen war, ein Stück Land auf der Insel zu kaufen, um darauf ein Haus zu bauen. Und dieses Haus würde ihn an die Insel binden und zwar für alle Zeiten.
Mitte der Woche kroch ein Lastwagen über den Sandweg zur Cala Dragonera und brachte die erste Ladung Steine vom Steinbruch auf der Nordseite der Insel. Für Philipp war im ersten Moment die Versuchung groß, die Arbeit an den beiden Gruben fürs erste einzustellen und mit dem Bau des Hauses zu beginnen. Er wollte endlich die Mauern seines Hauses in die Höhe wachsen sehen. Salvador redete ihm den Gedanken jedoch aus. „Was ist los mit dir? Du bist jung, du hast noch viel, viel Zeit, warum bist du so ungeduldig?“
„Ich weiß nicht.“
„Dein Haus soll einmal hundert, zweihundert Jahre stehen, so wie meins. Was kommt es da auf ein paar Wochen an?“
„Für dich nicht, aber für mich schon“, antwortete Philipp. „In sechs Wochen ist Schluss für mich, dann muss ich wieder zurück.“
„Aber du kommst ja wieder her. So oder so.“
„Natürlich komm ich wieder.“
„Also, dann lass es langsam angehen. Selbst wenn dein Haus bereits fertig wäre, würde es in sechs Wochen ja doch leer stehen. Überleg dir das mal.“
Darauf sagte Philipp nichts. Salvador hatte zwar recht, aber er sagte sich dennoch, dass es etwas anderes war zu wissen, dass auf Magali ein Haus auf ihn wartete und nicht nur Sickergrube und Zisterne. Aber das konnte Salvador vermutlich nicht wirklich verstehen.
Kurze Zeit später wurde seine Geduld auf eine weitere Probe gestellt. Sie stießen bei den Aushubarbeiten für die Zisterne auf eine Felsplatte, die so groß war, dass sie sich auch mit vereinten Kräften nicht bewegen ließ. Zusammen mit Jack und Jim machte er sich daran, sie zu zerschlagen, aber obwohl sie zu dritt waren, war es dennoch ein ziemliches Stück Arbeit. Dazu kam, dass bereits tagelang kein Wind ging und die Luftfeuchtigkeit extrem hoch war. Schon bei der geringsten körperlichen Anstrengung floss der Schweiß in Strömen. Sie plagten sich mehrere Tage lang mit der Felsplatte, aber sie gaben nicht auf, bis sie diese schließlich, in Trümmer zerlegt, aus dem Boden hatten. Allerdings hatten sie dadurch drei volle Arbeitstage verloren.
An manchen Abenden arbeitete Philipp im Licht einer Petroleumlampe noch alleine weiter. Er machte sich nichts daraus, abends in einer der Kneipen zu hocken, in denen Jack und Jim sich mit Landsleuten trafen. Er hatte sich ihnen eines Abends angeschlossen, aber schon bald gemerkt, es brachte ihm nichts, Joints zu rauchen, sich volllaufen zu lassen und sich die großartigen Pläne einiger Spinner anzuhören, aus denen schließlich ja doch nichts wurde. Und er machte sich auch nichts aus den Mädchen, die dort alkoholisiert rumhingen. Malerinnen oder Möchtegern-Künstlerinnen anderer Art.
Falls ihm abends nach Gesellschaft war, ging er zu Desiree hinüber. Wenn sie gut drauf war, erzählte sie eine Geschichte nach der anderen. Geschichten von früher. Aus jener Zeit, als sie auf die Insel gekommen war. Allesamt Geschichten wie aus einer anderen Welt. Als das Schiff vom Festland nur einmal pro Woche kam, es noch keine Taxen oder Busse gab. Aber dafür riesige Meeresschildkröten ihre Spuren über den Sand zogen und man für fünfzig Peseten noch fast die halbe Insel kaufen konnte. Letzteres erzählte Desiree augenzwinkernd. Im Übrigen, wer hatte damals schon fünfzig Peseten? Desiree jedenfalls nicht. Meistens begann sie ihre Geschichten mit dem Satz: „Lange, bevor es auf Magali schneite ...“ Und das gefiel Philipp, da es ihre Geschichten in die einzig richtige Relation von Erlebtem oder nur Überliefertem brachte.
An den Sonntagen war er regelmäßig zum Essen bei Salvador und kam so mit Paloma zusammen. Und mehr und mehr wurde ihm das zum Höhepunkt jeder Woche.
In Gegenwart ihres Vaters war sie ihm gegenüber eher scheu. Nicht jedoch ihrem Vater gegenüber.
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