Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
nach Meer, den Philipp so liebte.
Während sie über die Tümpel sprangen und auf Felskanten balancierten, entdeckte Paloma ein handtellergroßes, weißes Schneckenhaus, das in einer langen Spitze auslief und im Innern den Glanz kostbaren Porzellans hatte. Daraufhin machte sie sich auf die Suche nach weiteren Raritäten und auch Philipp begann zu suchen. Er hielt Ausschau nach einer bestimmten Art Muschel, die er früher hier gefunden hatte. Muscheln, die durch jahrelange Reibung von Wasser und Sand völlig eben geschliffen waren und nur die spiralförmige Zeichnung in der Mitte, die wie eine feine Gravur wirkte, deutete auf ihre ursprüngliche Form hin. Da schon ein wenig Glück dazu gehörte, ein gut erhaltenes Exemplar zu finden, hatte er sie damals Glücksmuscheln genannt.
Während jeder auf einer anderen Seite suchte, beobachtete Philipp, wie häufig Paloma sich nach einer Muschel bückte. Er selbst hatte jedoch kein Glück. Er fand zwar alle möglichen Muscheln und Schneckenhäuser, nur diese eine nicht und war schon nahe daran aufzugeben, als er mitten zwischen zertrümmerten Muschelschalen schließlich doch eine Glücksmuschel entdeckte. Kein sehr schönes Exemplar allerdings. Am Rand fehlte ein kleines Stück und sie war stumpf und glanzlos. Sie hatte zu lange im Trockenen gelegen.
Er kehrte zu Paloma zurück und sie zeigte ihm stolz, was sie mittlerweile gefunden hatte. In ihr Taschentuch eingeknotet, hatte sie ein paar hübsche Schneckenhäuser und eine Muschel mit rosa und weißen Hörnchen, die wie Zuckerguss aussahen.
„Und dann noch die hier“, sagte sie und griff in ihre Rocktasche und als sie danach ihre Faust öffnete, lag die größte Glücksmuschel darin, die Philipp je gesehen hatte, leicht rosafarben und glänzend wie frisch lackiert.
„Die ist für dich“, sagte sie.
„Und die für dich.“ Philipp holte nun auch sein Exemplar hervor. „Leider nicht so schön wie deine. Aber sie soll dir trotzdem Glück bringen.“
Verblüfft sah Paloma von einer Muschel zur anderen und Philipp machte ganz spontan einen Schritt auf sie zu und nahm sie in die Arme und suchte mit den Lippen ihren Mund. Aber es wurde nur eine kurze, hastige Umarmung daraus und ein eher unbeholfener Kuss. Trotzdem war Philipp sicher, wieder einen Schritt weiter gekommen zu sein. Nicht wegen des Kusses sondern wegen des langen Blickes, mit dem Paloma ihn danach angesehen hatte. Unverkennbar hatte Zärtlichkeit darin gelegen.
Danach saßen sie noch eine Weile dicht nebeneinander auf einem von Wind und Wellen glatt poliertem Stein und sahen schweigend aufs Meer hinaus.
Philipp starrte zwar auf die unendlich scheinende Meeresoberfläche, bleifarben mit kleinen gekräuselten Schaumlocken, aber der Gedanke ging ihm nicht aus dem Kopf, wie es wäre, wenn er den Rest seines Lebens hier auf der Insel verbrachte. Und mit Paloma zusammen ein einfaches, ruhiges Leben führte, weit weg von Städten und Autobahnen, Hochhäusern und Fernsehern, von Stress und Hektik und ehrgeizigem Erfolgsstreben. Er sah sich auf einfachste Art seinen Lebensunterhalt verdienen. Irgendeine Möglichkeit würde sich mit Sicherheit finden, zur Not auf einer der Baustellen oder in einem der neuen Hotels. Und dieser Gedanke war wie eine Woge, die auf ihn zukam und ihn überrollte und ihm den Atem nahm, ihn aber schließlich wieder auftauchen und in die Wirklichkeit zurückkehren ließ. Ohne Bedauern, ja fast erleichtert. Denn er wollte mit klarem Kopf über sein Leben entscheiden und sich nicht treiben lassen wie ein Stück Schwemmholz. Er sprach nicht mit Paloma darüber, schweigend reichte er ihr seine Hand und half ihr beim Aufstehen.
Während der folgenden Tage lebte Philipp in einer Art Hochspannung, die er sich höchstens damit erklären konnte, dass ihm noch nie so stark bewusst gewesen war, wie sehr die Gestaltung seiner Zukunft, seines Lebens letzten Endes nur von ihm selber abhing. Er war es, er allein, der darüber entschied, ob er wirklich nach Deutschland zurückkehrte und sein Studium wieder aufnahm oder ob er für immer auf der Insel blieb.
Nach außen hin äußerte sich diese Hochspannung in fast zwanghaftem Arbeitseifer. Dabei kam ihm einmal die leichte Brise zugute, die nun über das Tal strich und die drückende Schwüle vertrieb, aber auch das Gefühl, über mehr körperliche Kraft zu verfügen als noch ein paar Wochen zuvor. Selbst nach stundenlanger Arbeit hatte er keine Rückenschmerzen mehr, seine Hände waren abgeheilt und
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