Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
Tür. Er blieb stehen, als er sie sah.
„Willst du zu mir?“
„Ja … nein …“ Paloma blickte den Mann verwirrt an. Das war nicht El Profesor. Wer auch immer das sein mochte, sie kannte ihn nicht. Er war jünger als El Profesor, hatte ein blasses Gesicht und blickte sie durch seine Brille ein wenig sonderbar an. Paloma senkte verlegen den Kopf.
„Was ist los? Willst du zu mir oder nicht? Geht es um deinen Bruder oder deine Schwester? Wie heißt du?“
„Paloma Torres.“
„Ach Torres, ja, davon gibt es einige in meiner Klasse. Der Name kommt hier häufig vor, was?“
Während der Mann redete, musterte Paloma ihn verstohlen. Er war ziemlich klein und hatte so schmale Schultern als ob er nie auf den Feldern gearbeitet hätte.
„Sie sind nicht … El Professor?“
Der Mann lachte. „Der alte nicht, aber der neue. Ich heiße Pedro Pujol. Mein Vorgänger ist schon seit fast zwei Jahren nicht mehr hier. Was wolltest du denn von ihm?“
Paloma zögerte, sagte sich dann aber, es wäre vielleicht sogar besser, mit einem Fremden zu reden als mit dem alten El Profesor. Ohnehin hatte sie keine andere Wahl und deshalb sagte sie: „Ich wollte fragen, ob in der Bibliothek noch immer Bücher in fremden Sprachen sind. Vor allem solche in Deutsch.“
„Warum?“ Sie sah den überraschten Blick von Pedro Pujol. „Willst du Deutsch lernen?“
„Nein … nein, ich glaube nicht. Ich wollte Sie nur fragen, das heißt, ich wollte den alten El Profesor fragen, ob er für mich etwas in den deutschen Büchern nachschlagen kann.“
„Ich versteh nicht. Was nachschlagen?“
Paloma zog den Briefumschlag unter ihrem Tuch hervor und reichte ihn dem Lehrer. „Das hier. Ich weiß nicht, was die aufgestempelten Worte bedeuten.“
Pedro Pujol nahm das Kuvert, drehte es so, dass möglichst viel Licht darauf fiel und sagte dann: „Weiß deine Mutter, dass du einem Mann in Deutschland einen Brief geschrieben hast?“
„Meine Mutter lebt nicht mehr. Ich will nur wissen, was die Worte bedeuten. Haben sie was damit zu tun, dass der Brief zurückgekommen ist?“
Pedro Pujol nickte. „Da steht: Empfänger unbekannt verzogen. Das heißt, der Mann, an den du geschrieben hast, ist nicht mehr unter dieser Adresse zu erreichen. Er wohnt jetzt woanders, verstehst du?“
Paloma nickte, plötzlich hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Sorge. „Ja, ich verstehe. Und wie kann ich erfahren, wo er jetzt wohnt? Ich meine …“
„Das weiß ich auch nicht. Hier auf Magali wäre das kein Problem, aber ich sehe, dein Brief ist nach Frankfurt gegangen. Und Frankfurt ist eine Stadt, mehr oder weniger so groß wie Barcelona. Wie willst du da jemand finden?“
Paloma schwieg. Als El Profesor ihr das Kuvert zurückgab, verbarg sie es wieder unter ihrem Schultertuch.
„Es kann natürlich sein, dieser Mann meldet sich bei dir und teilt dir seine neue Adresse mit. Aber sei vorsichtig …“
Pedro Pujol behielt für sich, was er eigentlich hatte sagen wollen. Er zweifelte ohnehin daran, dass das junge Mädchen – wie alt mochte sie sein? Siebzehn, achtzehn – seine Warnung beherzigen würde. Es war überall dasselbe, die alten Traditionen galten nicht mehr viel, waren plötzlich nicht mehr wert als ein Paar ausrangierte, alte Stiefel. Er war nun fast zwei Jahre auf der Insel und so lange beobachtete er schon, wie jetzt auch hier alles umgekrempelt und auf den Kopf gestellt wurde.
Drüben auf dem Festland hatte es schon früher begonnen. Auch in seinem Heimatdorf. Immer mehr junge Leute waren an die Küste gegangen, um sich in den Tourismuszentren Arbeit zu suchen. Und irgendwann hatte es bei ihnen im Dorf nur noch alte Leute gegeben und die ersten Häuser standen leer und verfielen allmählich. Die Schule war geschlossen worden, und er hatte sich anderswo Arbeit suchen müssen, und so war er hier auf der Insel gelandet. Zwar stand der Tourismus hier noch ziemlich am Anfang, aber bereits jetzt war abzusehen, auch hier würde so manches zum Opfer fallen. Letzten Endes zählte auch dieses junge Mädchen dazu.
„Ja, ich denke, er wird mir bestimmt bald seine neue Adresse schreiben. Jedenfalls danke ich Ihnen für Ihre Hilfe“, sagte Paloma und wandte sich dann um. Pedro Pujol sah sie den Camino entlanggehen. Er folgte ihr, bis zur Straße hatten sie den gleichen Weg.
„Wenn ich dir einen guten Rat geben darf. Mach dir keine falschen Hoffnungen. Vergiss den Mann. Schau, es gibt so viele Urlaubsorte auf der Welt, nicht nur euer
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