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Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)

Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition)

Titel: Ein skandalöses Geheimnis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Callen
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Kapitel 1
    Hertfordshire, 1846
    Es war nicht das erste Mal, dass Leo Wade ungeladen bei einer Gesellschaft auftauchte, die sich irgendwo auf einem Landsitz für mehrere Tage um einen großzügigen Gastgeber scharte. Aber mit Sicherheit war es das erste Mal, dass er dorthin fuhr wegen eines weiblichen Wesens, das in den Augen der Londoner Gesellschaft haarscharf an der Grenze zur alten Jungfer stand. Ausgerechnet auf sie hatte der flotte Mr Wade es abgesehen.
    »Ich scheine einen unpassenden Moment erwischt zu haben«, erklärte er fröhlich und schaute sich im Kreis der illustren Gäste um, die sich im eleganten Salon der Marchioness of Bramfield versammelt hatten.
    Eigentlich interessierten sie ihn allesamt nicht, denn ihm ging es einzig und allein um Miss Susanna Leland – eine kluge, künstlerisch begabte junge Dame, die alle Welt für einen hoffnungslosen Blaustrumpf hielt. Und sie schien diese Einschätzung sogar zu provozieren, denn ausgerechnet zu Gesellschaften pflegte sie ihre Brille aufzusetzen.
    So auch jetzt. Sie saß etwas abseits und betrachtete eher gelangweilt das gesellige Treiben um sie herum. Leo sah, wie ihre Brillengläser im Kerzenschein funkelten. Eigentlich passte sie so gar nicht in sein übliches Beuteschema, doch gerade das machte die Sache außerordentlich spannend.
    Ihre Blicke trafen sich, und er erkannte eine leichte Verwunderung. Sie hatte sich hier auf dem Land sicher gefühlt vor ihm, war überzeugt gewesen, ihre Spuren gut genug verwischt zu haben. Aber Susanna gehörte nicht zu den Frauen, die Panik oder Bestürzung gezeigt hätten – diese Genugtuung würde sie ihm nicht gönnen. Sie musterte ihn eher gleichgültig über den Rand ihrer Brille und kniff kurz die braunen Augen zusammen. Ihr rotbraunes Haar war im Nacken zu einem schlichten Knoten geschlungen. Kein einziges vorwitziges Strähnchen oder anmutiges Löckchen milderte die Strenge der Frisur. Susanna liebte keinen Firlefanz. Dabei war sie eigentlich hübsch, wenn man genauer hinschaute. Zumindest sehr apart, denn die hohen Wangenknochen verliehen ihrem Gesicht etwas Dramatisches. Ihre Figur hingegen wirkte eher durchschnittlich und nicht sonderlich üppig. Allerdings war in dem hochgeschlossenen Kleid auch nicht allzu viel davon zu sehen – Dekolleté zu zeigen kam für Miss Leland ebenfalls nicht infrage. Doch Leos Einschätzung nach verbarg sie vieles. Sehr vieles sogar, wenn das Gemälde, das in seinem Londoner Club hing und gerade für beträchtliches Aufsehen sorgte, auch nur im Entferntesten der Wahrheit entsprach.
    Und das herauszufinden war er wild entschlossen – allein aus diesem Grund hatte er die Fahrt nach Hertfordshire unternommen.
    Viscount Swanley, der neben seinem Vater, Lord Bramfield, stand, grinste ihn an und kam auf ihn zu. Er war ein hochgewachsener, dunkelhaariger und immer fröhlicher Mann, wie Leo jederzeit zu Späßen bereit. Und zu kleinen Sünden. Sie nickten einander kurz zu.
    »Schön, dich zu sehen«, sagte Swanley und warf seiner Mutter einen fragenden Blick zu. »Mylady, hast du Wade etwa eingeladen, ohne mir etwas davon zu sagen?«
    Lady Bramfield, eine füllige Matrone mit einem Schopf ungebärdiger dunkler Löckchen, die inzwischen zu ihrem Bedauern von zahllosen grauen Strähnen durchzogen waren, zwang sich zu einem Lächeln. »Ich muss leider gestehen, dass ich ihn vergessen habe, aber ich hoffe, er wird mir mein Versäumnis verzeihen.«
    Sie tauschte einen vielsagenden Blick mit ihrem Ehemann. Der Marquess, von ähnlicher Statur wie sein Sohn, hatte die Angewohnheit vieler großer Leute angenommen und ging beständig gebückt, als müsse er sich zu häufig zu seinen Gesprächspartnern herunterbeugen. Leo wartete geduldig während des stummen Zwiegesprächs, zweifelte jedoch nicht einen Moment daran, dass seine Unverfrorenheit den Sieg davontragen würde. Wieder einmal.
    »Du musst unbedingt bleiben«, sagte Swanley auch prompt. »Für Unterhaltung ist gesorgt: Wir werden auf die Jagd gehen, hübsche Mädchen anschauen und Karten spielen.« Er senkte die Stimme ein wenig: »Dabei hoffe ich dich endlich mal zu schlagen.«
    Leo stieß ein kurzes Lachen aus und widerstand dem Drang, Susanna einen triumphierenden Blick zuzuwerfen. »Solange das Anschauen von hübschen Mädchen als Sport betrachtet wird und nicht als erster Schritt Richtung Traualtar, bin ich mit Freuden dabei.« Er schüttelte sich demonstrativ. »Normalerweise halte ich mich von diesen Gesellschaften fern, die sich

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