Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
und abends nach Hause holte. Selbst im Gehen fanden ihre dicken Nadeln die Maschen fast von alleine. Und sie strickte halbe Nächte lang im Licht der Petroleumlampe.
In diesem Jahr hatten sie einen ungewöhnlich warmen Winter. Ganz selten nur tauchten Wolken am Himmel auf, zogen aber rasch weiter und die Sonne heizte jede windgeschützte Ecke derart auf, dass es im Freien bald wärmer war als in den Häusern. Aber der so dringend benötigte Regen, der gewöhnlich in dieser Jahreszeit fiel, blieb diesmal aus, und der ständige leichte Ostwind tat sein Übriges, dem Land jeden Rest Feuchtigkeit zu entziehen. Allmählich wurde der Boden trocken wie in den Sommermonaten. Und alles Grün wurde braun und verdorrte, kaum streckte es seine Spitzen zum Boden heraus. Und es wurde langsam immer schwieriger, die Ziegen und Schafe satt zu bekommen. Paloma musste jeden Tag weite Strecken mit ihnen gehen. Die wegen der Trockenheit ohnehin nur kümmerlich wachsenden Kartoffelstauden verdorrten schließlich, ohne an ihren Wurzeln Knollen zu bilden. Auch das Getreide, kaum eine Fußlänge hoch, verdorrte. Die ganze Plackerei auf den Feldern war umsonst gewesen.
Die Wenigen, die ihre Felder noch bearbeitet hatten, gingen Tag für Tag hinaus, schauten sich die Saaten an und zum wolkenlosen Himmel hinauf, ehe sie niedergeschlagen wieder nach Hause gingen.
Als schließlich auch die letzten grünen Spitzen auf den Feldern verdorrt waren, gab es viele, die sich schworen, nie wieder eine Hacke in die Hand zu nehmen. Bereits jetzt war deshalb abzusehen, dass im nächsten Jahr noch weitere Felder brach daliegen und noch weitere Bauern Arbeit in den neuen Tourismusgebieten der Insel suchen würden. Aber es gab auch noch einige, die anders dachten. Einige ältere Leute, die meinten, die Trockenheit sei die Strafe für den Hochmut, mit der manche der ehemaligen Bauern auf die Arbeit auf den Feldern herabsahen. Die Jüngeren lachten darüber, vor allem diejenigen, die einen Arbeitsvertrag für die nächste Saison in der Tasche hatten. Obwohl manche davon nicht so recht wussten, was von der ganzen Geschichte zu halten war. Denn niemand konnte sich an eine derart lang anhaltende Trockenheit erinnern.
Nach und nach hatten alle unter dieser Trockenheit zu leiden, auch diejenigen, die ihre Felder nicht mehr bearbeitet hatten. Denn überall wurden die Zisternen allmählich leer.
Paloma, die anfangs noch versucht hatte, in ihrem Gemüsegarten zu retten, was zu retten war, indem sie ein wenig vom kostbaren Wasser aus der Zisterne opferte, musste ebenfalls aufgeben. Und zusehen, wie die Pflanzen vor sich hin kümmerten und schließlich eingingen. Nur die Saubohnen und Zwiebeln überlebten. Obwohl Paloma und Salvador so sparsam wie nie zuvor mit ihrem Wasser umgingen, blickten sie mit Sorge auf den ständig sinkenden Wasserstand in ihrer Zisterne. Ihr Wasserverbrauch war der Tiere wegen, die ihre tägliche Ration brauchten, doch ziemlich hoch. Mitte März ging es nicht mehr anders. Sie mussten den Wasserwagen kommen lassen und Wasser kaufen, was niemand auf der Insel allzu gerne tat. Einmal weil das Wasser teuer war und weil es längst nicht so gut war wie das eigene Zisternenwasser, sauberes Regenwasser. Ja, es gab Leute, die meinten, durch das gekaufte Wasser, das weiß Gott woher kam, sei eine Zisterne für immer verdorben. Salvador weigerte sich dann auch, davon zu trinken. Er behauptete, es rieche seltsam, und auch die Schafe wollten anfangs nicht davon trinken. Nachdem Salvador drei Tage lang nichts anderes als Wein getrunken hatte, karrte er am vierten Tag eine Kiste mit Quellwasser vom Festland auf seiner Mobylette heran und überredete Paloma, auch davon zu trinken. Angeblich hatte er gehört, einige Leute seien krank geworden, nachdem sie Wasser vom Wasserwagen getrunken hatten.
Den Wasserwagen fuhr ein junger Mann namens Angelo, ein Bruder von Ernesto, Anas Mann. Paloma saß mit ihrem Strickzeug auf der Veranda, als er mit dem Wasserwagen auch zu ihnen kam. Sie verfolgte aufmerksam, wie er einen langen Schlauch in ihre Zisterne hängte und den Hahn am Wassertank so weit aufdrehte, bis das Wasser in ihre Zisterne lief. Sie redete jedoch nur das Nötigste mit ihm. Mehr als drei Sätze waren es nicht.
Als sie am darauf folgenden Sonntag Ana besuchte, traf sie Angelo auf Anas Veranda an. Er war klein und kräftig wie viele der Männer von der Insel, hatte aber ein recht hübsches Gesicht mit fröhlichen Augen und frische rote
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