Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
Wangen.
Paloma setzte sich zu Ana und Angelo und obwohl ihre Stricknadeln sonst blind ihren Weg fanden, tat sie so, als ob sie ganz in ihre Strickerei vertieft war. Denn ihr wurde bald klar, Angelo war hauptsächlich ihretwegen so munter und aufgedreht. Er redete und lachte und erzählte komische Geschichten, blickte dabei aber ständig zu ihr herüber und ihr blieb nichts anderes übrig, als pflichtschuldig mit zu lachen. Aber sie mochte sein lockeres Mundwerk nicht besonders, und so nützte sie die Gelegenheit, als Ernesto nach Hause kam und mit Angelo redete, sich rasch von Ana zu verabschieden.
Als Ana sie einige Tage später besuchte, begann sie plötzlich über Angelo zu reden.
„Was hast du gegen ihn?“
„Nichts. Wieso?“
„Aber du hast kaum mit ihm gesprochen am Sonntag. Dabei weißt du doch auch, er interessiert sich für dich.“
Paloma hätte über alles andere lieber geredet als über Angelo, aber sie wollte Ana nicht kränken, da es sich um ihren Schwager handelte.
„Er hat eine gute Arbeit. Wasser brauchen die Leute immer. Und im Moment ganz besonders. Angelo könnte praktisch Tag und Nacht Wasser ausfahren, die Zisternen sind überall leer. Und er verdient gut dabei.“
Paloma lächelte. Sie wusste nur zu gut, worauf Ana hinauswollte.
„Also macht es ja auch nichts, dass er nicht der älteste Sohn ist und nicht den Hof seines Vaters bekommt. Wenn du dich mit ihm zusammen tust, könntet ihr hier bei deinem Vater wohnen und wir könnten uns besuchen so wie jetzt. Und wenn wir dann Kinder hätten, könnten sie zusammen aufwachsen. Wie lange willst du denn noch auf deinen Philipp warten?“
Paloma schwieg. Sie wollte mit Ana nicht über Philipp reden. Ana verstand ohnehin nicht, was zwischen ihr und Philipp war, konnte es auch gar nicht verstehen. Wie denn auch, da sie nie einen Mann wie Philipp kennengelernt hatte. Einen Mann, der so unendlich viel wusste wie Philipp, den sie nach allem fragen konnte. Der aus einer dieser großen Städte kam, in denen die Leute ganz anders waren als sie auf ihrer Insel. Der so groß und stark war, dass er mit jedem Problem fertig wurde. Plötzlich überfiel Paloma eine unendlich große Sehnsucht nach Philipp.
Ihre heftige innere Unruhe trieb sie aus dem Haus, und sie blickte angestrengt über das Land, denn plötzlich hatte sie Gefühl, Philipp vielleicht noch heute drüben auf dem Camino zu sehen. Ana war ihr gefolgt und verabschiedete sich, da sie nach Hause musste, um für ihren Mann und ihren Vater das Essen vorzubereiten. Paloma sah sie mit einiger Erleichterung gehen.
Als sie dann wieder allein auf der stillen Veranda stand, entdeckte sie auf dem Boden einige Blüten vom Orangenbaum, die der Wind abgerissen hatte. Sie hob eine auf und atmete den intensiven, süßen Duft tief ein und plötzlich begann sie zu singen. Ein Lied, das nur aus wenigen Worten bestand. Bald wird er kommen, sang sie. Er wird bald kommen …
Während sie noch sang, löste sie ihre Haare und holte dann einen Eimer Wasser aus der Zisterne und wusch sich erst die Haare, dann zog sie ihr Kleid aus und wusch sich am ganzen Körper. Danach zog sie ein frisches Kleid über und als sie gerade mit vornüber gebeugtem Kopf dastand und ihre nassen Haare kämmte, hörte sie einen Wagen auf den Hof fahren. Kein Personenwagen sondern jenen riesigen Laster mit dem Tank hinten drauf. Der Wasserwagen. Und kurz darauf stand auch schon Angelo auf der Veranda. Er ging lächelnd auf Paloma zu, streckte dann eine Hand aus, um einen Zweig mit Orangenblüten vom Baum zu brechen und überreichte ihn ihr.
Paloma hatte noch nach seiner Hand greifen wollen, um ihn daran zu hindern, aber er war schneller gewesen. „Mach das nie wieder, hörst du?“ , sagte sie in scharfem Ton. Sie holte eine leere Flasche aus dem Haus, füllte sie mit Wasser und steckte den Zweig hinein. „In ein paar Wochen wären das mindestens fünf Orangen gewesen, die reißt man nicht einfach von fremden Bäumen.“
„Und wenn man sonst keine Blumen zum Verschenken hat?“ , Angelo grinste.
Paloma zuckte mit den Schultern, während sie im Stillen bereits überlegte, wie sie ihn am schnellsten los wurde.
„Sag schon, was du willst. Ich hab keine Zeit, den halben Tag nur zu reden.“
„Ja, ich weiß, deine Pullover. Du bist ein fleißiges Mädchen. Ich will dich auch nicht lange aufhalten, hab selbst zu tun. Ich bin nur gekommen, weil ich dich und deinen Vater für nächsten Sonntag zum Essen einladen will. Schöne
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