Die Akte Rosenthal - Seelenfischer-Trilogie 03
PROLOG
Zwischen Euphrat und Tigris
Der Mann saß gerade im Stuhl einer Fernsehgarderobe, als sein Smartphone klingelte. Ein Umhang schützte seinen Anzug, während eine Maskenbildnerin sein Gesicht mit einem Pinsel bearbeitete. Als sie sich über ihn beugte, streifte ihr Busen kurz seinen Oberarm. Er roch den Duft ihrer Jugend und ahnte die strammen Konturen ihrer Brüste unter dem Kittel.
Er seufzte. Diese junge Frau war für ihn tabu. Sie arbeitete für den Sender CBS und er war heute hier, um als Kandidat für den Posten als Gouverneur von Virginia ein Interview zu geben.
Er lächelte ihr entschuldigend zu, während er sein Smartphone aus der Tasche zog. Das Display zeigte den Anrufer. Er war sechs Zeitzonen entfernt. „Ja?“, meldete er sich.
„Wir haben ein Problem. Hier stellt jemand Fragen und schnüffelt herum.“
Der Kandidat unterdrückte einen Fluch. Ausgerechnet jetzt, wo sich alles so gut entwickelte! Doch er hatte sich absolut unter Kontrolle. Er blieb ruhig und geschäftsmäßig, als er dem Anrufer antwortete: „Gut. Bleiben Sie an der Sache dran. Ich melde mich in einer Stunde zurück.“
Am nächsten Morgen rollten mehrere dunkle Limousinen in kurzen Abständen die Auffahrt seines Anwesens im Außenbezirk von Fredericksburg/Virginia hoch. Dort verschwanden sie sofort in der Tiefgarage. Zwei der Teilnehmer der geheimen Zusammenkunft nutzten den Hubschrauberlandeplatz im Park des Anwesens. Mit seiner von weißen Säulen gestützten Veranda wirkte das Haus wie eine verträumte Südstaatenvilla vor dem Bürgerkrieg. Dabei war es erst vor zwei Jahren fertiggestellt worden.
Die Ankömmlinge wurden umgehend in den abhörsicheren Konferenzraum geleitet. Dort erwartete sie der Hausherr. Schweigend formierten sie sich um den Tisch aus polierter Eiche. Gespannte Erwartung lag in der Luft. Jeder der Teilnehmer lebte in einer Welt, in der man alles kaufen konnte – alles außer Zeit. Jede Minute, die in diesem Raum verstrich, hinterließ ein Machtvakuum, waren ihre Dow Jones, DAX, RTS und Nikkei-Imperien ohne Herrscher.
Bei den sieben Personen handelte es sich um eine elitäre Truppe, das Who-is-who der Wirtschaft und der Rüstungsindustrie. Diese Sieben betrachteten sich selbst als die inoffiziellen Herrscher der Welt, sie kontrollierten den globalen Börsenhandel, die Warenströme und die modernen Medien. Sie entschieden über Erfolg oder Misserfolg einer Regierung, berieten über Krieg und Frieden, waren Herren über Leben und Tod.
Als sich alle gegenseitig begrüßt hatten und jeder an seinem angestammten Platz saß, richtete der Medienmogul das Wort an den Hausherrn, der sie zu dem Treffen gebeten hatte: „Gratuliere zum Interview gestern. Und, Donald, wo brennt es? Warum mussten wir unbedingt persönlich hierherkommen?“
Der Angesprochene kam sofort auf den Punkt. „Lotta“, er nickte dem einzigen weiblichen Teilnehmer zu, „und Freunde, ich habe gestern einen Anruf erhalten. Es ist ein Problem aufgetreten “, erklärte der Mann namens Donald, der einer der mächtigsten Dynastien Amerikas entsprang, die bereits einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten gestellt hatte.
„Was denn? Die Arabische Liga hat sich verbündet und rationiert das Öl?“, sagte eine hart klingende Stimme. Sie gehörte einem Asiaten.
„Nein“, erwiderte der Hausherr. In der dunklen Holztäfelung hatte sich geräuschlos die schwere Tür geöffnet. „Hier kommt der Mann, der mehr darüber weiß. Senator Whitewolf“, begrüßte er ihn, „berichten Sie.“
Whitewolf nickte allen Anwesenden zu. Dann sprach er das aus, was jeder Einzelne der Anwesenden seit dem Eintreffen der dringenden Nachricht bereits unbewusst befürchtet hatte: „Ich bin hier, um Ihnen mitzuteilen, dass die Operation Zwei Flüsse unser Einschreiten erfordert.“
Kapitel 1
Tanger, Marokko
Ein ungewohntes Geräusch schreckte sie aus dem Schlaf. Es klang wie ein hohes Zischen, gleich neben ihrem Ohr. Zunächst konnte sie es nicht einordnen. Dann fiel es ihr ein. Die kleine Katze! Sie hatte sie gestern aus einem Mülleimer im Hinterhof gerettet und nun hatte das kleine Knäuel bereits ihr Kopfkissen erobert. Sie tastete nach ihm, um es zu beruhigen. Es kauerte zitternd neben ihr.
„Was hast du denn? Hörst du Mäuse?“ Mäuse waren eine ewigwährende Plage in der Mietskaserne am Randbezirk Tangers. Sie zog die Katze zu sich heran und versuchte, es durch Streicheln zu beruhigen, als sie plötzlich
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