Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
Auch nachdem sie angelegt hatten, kam bei Philipp keinerlei Sentimentalität auf. Dazu war die Hektik, das Gedränge und Menschengewühl zu groß.
Bobby und Philipp kümmerten sich um das Gepäck, aber Philipp hatte ziemliche Mühe, zwei Taxen zu organisieren. Denn dank Karen war ihr Gepäck mehr als umfangreich. Erst als sie im Taxi das Hafengelände verließen, kam Philipp dazu, einen Blick auf seine Umgebung zu werfen. Auf den früher so stillen Fischerhafen, nun ein lebhafter kleiner Ort mit ausgesprochen modern wirkenden Häusern und Promenaden. Bei nächster Gelegenheit wollte er noch einmal herfahren und sich alles in Ruhe anschauen.
Nachdem sie auf der Cala Dragonera angekommen waren, legte Karen sich erst einmal hin. Damit sie ein bisschen Ruhe fand, ging Bobby mit den Kindern, die reichlich aufgedreht waren, an den Strand hinunter. Philipp versprach, später nachzukommen und schaffte erst einmal alle Koffer und Taschen ins Haus. Dann stand er auf der schattigen Veranda und blickte über das Land. Über sein Land. Über das leicht hügelige Tal, das er vor Jahren auf seinen Streifzügen über die Insel entdeckt hatte. Dank Salvador war der Standort des Hauses gut gewählt. Es veränderte das Tal nicht, bedeutete keinen wirklichen Eingriff in die Landschaft.
Hinter dem Streifen niedrigen Gebüschs, der im Süden sein Land zum Strand hin abgrenzte, schimmerte an manchen Stellen ein Stück Steinmauer durch. Die Mauer war nun also doch fertig geworden. Auch ohne ihn. Bobby hatte einige Arbeiter mit ihrer Fertigstellung beauftragt. Mit ihrer Höhe von etwa anderthalb Metern bot sie keinen wirklichen Schutz vor Eindringlingen, aber sie signalisierte doch Privatbesitz und hielt ihnen wenigstens die Mietautos vom Hals.
Bobby und natürlich auch Frank, Bobbys Mann, hatten ohnehin einiges getan während ihrer Ferien, die sie regelmäßig in der Cala Dragonera verbrachten. Hatten das Haus und das Land in Ordnung gehalten und sich um anfallende Instandsetzungsarbeiten gekümmert. Philipp fielen ein paar neue Büsche rund ums Haus auf, die Bobby gepflanzt hatte. Auch ein Hibiskus mit einer Unzahl Knospen war darunter – ein wenig Wasser jeden Tag und sie würden bald aufgehen. Außerdem eine neue Bougainvillea. Jene, die Philipp noch gepflanzt hatte, war mittlerweile eingegangen. Ihr Stamm war noch dünn, aber die ersten Zweige mit violettfarbenen Blüten wuchsen bereits an einer der Säulen bis zum Verandadach hoch. Eine smaragdgrüne Eidechse flitzte über die Veranda und verschwand zwischen den Steinen der Verandamauer, hinter der sich die Zweige baumhoher Oleanderbüsche tief unter der Fülle schwerer zartroter Blütentrauben neigten.
Danach prüfte Philipp den Wasserstand in der Zisterne, wie er das immer nach seiner Ankunft getan hatte und schöpfte dann einen Eimer Wasser für den Hibiskus. Er war erst kaum eine Stunde da, aber er fühlte sich bereits wieder verantwortlich für das, was er so lange vernachlässigt hatte.
Und noch etwas blühte. Drüben auf der Ostseite seines Landes, dort wo der Pinienwald begann, waren die Rosmarinbüsche voller zartlila Blüten. Sobald Karen sich erholt hatte, wollte er mit ihr das ganze Land abgehen und sich alles in Ruhe ansehen. Und dann erinnerte er sich an die Flasche Wein, die er auf dem Tisch in der Sala gesehen hatte. Ein Willkommensgruß von Desiree. Er schenkte sich ein Glas davon ein und stellte dann die Korbsessel auf die Veranda und setzte sich mit dem Rücken zur Hauswand, so dass er das ganze Tal überblicken konnte.
Da bin ich also doch wieder, ging es ihm durch den Kopf. Trotz all der vielen Ausflüchte und Ausreden ... aber es wurde wohl auch langsam Zeit. Schließlich machte es keinen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken und sich einzubilden, wichtige Dinge seien unwichtig, solange sie sich nur irgendwie verdrängen ließen.
Er trank von dem Wein und bereits beim ersten Schluck wurde ihm klar, dass es Wein von der Insel war. Kein Spitzenwein, das war der Wein von der Insel nie gewesen. Er war schwer und schmeckte ein wenig mehlig, so als ob man den Staub mittrank, der hier über allem und jedem lag. Philipp liebte den Wein dennoch und freute sich darüber, dass Desiree daran gedacht hatte und darüber, dass es überhaupt noch welchen gab und also die eine oder andere Tradition doch überlebt hatte.
Nach und nach kehrte Ruhe in ihm ein und Erinnerungen stiegen auf. Er dachte an die Zeit, als er wochenlang hier in der Cala Dragonera unter einem
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