Paloma
sie sich bereits in den vergangenen Jahren getan hatten, ausreichend Kartoffeln und Korn anzubauen. Und daran, dass es jetzt, wo die Mutter fehlte, wohl doppelt so schwer werden würde. Sie sah die kräftigen Arme der Mutter vor sich, die nie so schnell müde gewesen waren wie die des Vaters.
„Falls du es allein nicht schaffst, frag doch Philipp, ob er dir mit den Kartoffeln hilft. Mir hat er auch geholfen. Er kann zupacken, das hab ich gesehen“, sagte der Onkel.
Philipp? Paloma hatte so einen seltsamen Namen noch nie gehört.
„Wie? Felipe?“
Der Fremde lachte. „Sagen Sie ruhig Felipe. Es ist ja sowieso dasselbe. Und falls Sie Hilfe brauchen, kein Problem.“
Paloma lauschte mit angehaltenem Atem.
„Für mich schon. Ich hab nicht das Geld für einen Arbeiter.“
„Ach was, Geld. Einen Teller Suppe und einen Schluck Wein, mehr brauch ich nicht.“
Paloma wünschte sich plötzlich nichts sehnlicher, als dass der Vater auf das Angebot des Fremden einginge. Aber er sagte nur: „Ich weiß nicht ... ein Teller Suppe ...“
„Ein bisschen Fisch dazu, ich würde nicht nein sagen. Wenn Ihnen das recht ist, komm ich gleich morgen.“
Der Vater murmelte etwas Unverständliches.
Danach wurden Stühle gerückt und dann waren Schritte zu hören und plötzlich sah Paloma den Fremden am Eingang zur Küche stehen.
„Wie heißt du denn?“
Paloma musste erst schlucken, bevor sie ihren Namen sagen konnte.
„Paloma? Ein schöner Name. Gefällt mir. Und wie alt bist du, Paloma?“
„Dreizehn. Fast vierzehn.“
„Man hat mir erzählt, deine Mutter ist gestorben. Das tut mir sehr leid.“
Paloma wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, aber der Fremde erwartete anscheinend keine Antwort. Er hob zum Abschied die Hand und dann sah sie ihn mit dem Onkel über die Veranda gehen.
Erst jetzt fiel ihr auf, wie dunkel es mittlerweile in der Küche war. Sie zündete die Lampe an und stach dann mit einer Gabel in eine der Kartoffeln im sprudelnden Wasser, um festzustellen, ob sie schon gar war. Als sie hörte, dass der Vater zu ihr in die Küche kam, drehte sie sich um. „Wirst du Land verkaufen, Vater?“
Der Vater starrte auf die abgetretenen Fliesen auf dem Boden und hob nach einer Weile müde die Schultern.
„Was würdest du machen an meiner Stelle? Soweit ich mich erinnern kann, hat noch keiner in unserer Familie Land verkauft. Nicht mein Vater, nicht mein Großvater, keiner. Aber was frag ich dich? Du bist noch ein Kind, was kannst du mir schon sagen?“
Paloma wollte widersprechen, aber dann wurde ihr klar, dass der Vater nichts anderes hatte sagen wollen, als dass die Mutter ihm fehlte. Die Mutter, die letzten Endes alles entschieden hatte, was die Familie betraf. Ob ein Huhn geschlachtet, das Haus geweißelt und ob Mariano zur Marine ging.
Am nächsten Morgen sah sich der Vater nachdenklich den Vorrat an Eiern an, der sich während der letzten Tage angesammelt hatte.
„Was machen wir damit? Kannst du sie runter zur alten Pilar bringen?“
An jedem anderen Tag hätte Paloma freudig zugestimmt. Sie kam nur selten hinunter nach San Lorenzo, und es war jedes Mal ein Festtag gewesen, wenn die Mutter sie mitgenommen hatte. Heute wäre sie allerdings lieber zuhause geblieben. Dennoch band sie ohne Widerrede ihr langes Haar zurück und knotete sich ihr Tuch um die Schultern und prüfte noch einmal jedes Ei, ehe sie es in den Henkelkorb legte, wie die Mutter es immer getan hatte. Dabei sah sie immer wieder durchs Küchenfenster zum Vater hinaus, der vor dem Haus stand und zu dem Pfad hinüberblickte, der zum Hof führte. Sie wusste weshalb. Er wartete auf den Fremden. Dabei hatte er bereits mehrmals gemurmelt, dass der Fremde sicherlich nicht käme.
„Warum sollte er auch? Warum sollte er sich auf unseren Feldern die Hände schmutzig machen? Sie sind reich, diese Fremden, das wissen doch alle.“
Paloma hoffte dennoch, er würde kommen und insgeheim hoffte das wohl auch der Vater, denn er war bereits in aller Frühe mit dem Boot hinaus gefahren und hatte genügend Fische für eine ordentliche Mahlzeit mitgebracht.
Sie trödelte noch ein wenig im Haus herum, wischte den Boden in der Sala und stellte die Stühle wieder an ihren Platz, fütterte dann die Tiere und als dann immer noch nichts von dem Fremden zu sehen war, legte sie Loca an die Kette und machte sich mit ihrem Korb auf den Weg.
Die Luft war noch frisch, da die Sonne hinter einem diesigen Wolkenschleier stand, aber wenigstens
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