Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pan Tau

Pan Tau

Titel: Pan Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
Vom Netzwerk:
Hand hinter dem Rücken wieder akrobatisch aufzufangen. Grazie! A rivederci!
    Fast beneidete ich ihn. Er lebte, arbeitete und hatte seinen Spaß. Das ist nicht so leicht, wie es scheint. Nicht jeder kann das. Konnte ich es noch?
    Ich wußte es nicht.
    Vielleicht.
    O ja. Jetzt, in diesem Augenblick. In dieser verrückten Stadt, wo die Häuser auf dem Wasser stehen, wo man mit dem Schiff zum Hotel fährt und dieses Schiff anderen Schiffen begegnet, die alles mögliche in die Häuser auf dem Wasser transportieren: einen Schrank, Kohlen, eine Oma mit Enkeln, eine Lampe, einen Elektromotor, ein Pony, Bananen, Makkaroni, einen Käfig mit Papagei, eine Schreibmaschine, einen Jungen mit Mütze, einen Jungen ohne Mütze, einen Herrn mit Zigarre, einen Herrn mit Regensch...
    »Schnell, umdrehen!« rief ich dem Gondoliere zu, der mich zum Hotel brachte, denn in dem kleinen Dampfer, der eben unter der Rialto-Brücke an uns vorbeigefahren war, stand am Geländer ein Herr mit Regenschirm und Melone. Jetzt lächelte er sogar und lüftete sie zum Gruß. Die Gondel machte unbeholfen kehrt. Am Heck des Dampfers, der sich entfernte, war die Aufschrift:
    Linie 2
    Richtung Lido

Siebtes Kapitel. Ich stelle fest, daß das Meer salzig ist, und gehe ins Kino.

    Ich hatte Glück. An der Anlegestelle für Mietschiffe hielt eben ein schlankes Motorboot, das einem Haifisch ähnlich sah. Der Motor dröhnte auf. Gerade noch konnte ich aus der Gondel in das Boot steigen und sagen:
    »Richtung Lido. Dem Vaporetto Linie 2 nach.«
    Wir fuhren los. Der Bug des Bootes hob sich. Irgendwo links hinter uns blieben das Hotel Danieli und die geflügelten Löwen auf den Säulen des Markusplatzes zurück. Vor uns lag das Meer. Es glänzte in der Sonne. In der Nähe des Kais ankerten weiße Transozeanschiffe. Ihre bunten Fahnen flatterten im Wind.
    »Geht es nicht schneller?« fragte ich ungeduldig den Steuermann, denn ich starb schier vor Sehnsucht, noch einmal den Herrn mit der schwarzen Melone und dem schwarzen Regenschirm zu sehen. Ich wollte mich vergewissern, ob er es war, den ich suchte. Plötzlich fand ich es ganz selbstverständlich, daß ich ihm gerade hier in Venedig begegnete. Das war die Stadt, die er sich herbeizaubern würde, wenn ihm traurig zumute wäre. Nur so. Zum Spaß. Wie er den Elefanten herbeigezaubert hatte, um Kindern einen verrollten Ball zurückzugeben. Wenn Oberinspektor Quincy zaubern müßte, würde er den Kindern nur eine zusammenlegbare Leiter herbeizaubern. »Geht es nicht ein bißchen schneller?« sagte ich wieder, fast flehentlich. »Ich suche jemanden. Er ist auf dem Vaporetto Linie 2.«
    »Wir haben hohe Wellen«.
    »Ich hab’ es eilig!«
    »Auf dem Meer geht’s eilig nur zum Grund«, antwortete der Mann am Steuerruder des Bootes, gab aber gehorsam Gas. Mit leichtem Achselzucken sagte er noch: »Hoffentlich können Sie schwimmen.« Der Motor heulte auf, und das Boot hob sich aus dem Wasser. Eine Sekunde lang flog es durch die Luft, dann fiel es hart auf die Wellen zurück und flog noch einmal hoch. Es flitzte durch das aufspritzende Wasser. Alles war voll Wasser. Ich hatte es in den Zähnen, im Haar, in den Augen und hinterm Kragen. Kaltes, salziges Wasser. Wie im Nebel erblickte ich über mir das Deck des Vaporetto Linie 2, an dem wir eben vorüberjagten.
    »Fünf Dollar Aufzahlung für meine Mütze, die mir ins Wasser gefallen ist«, sagte traurig der Mann am Steuerruder, als das Boot im Lido-Hafen hielt. Auch er war durch und durch naß. »Zu hohe Wellen. Ich habe Sie gewarnt.«
    Mit Genugtuung sah er zu, wie ich das Wasser aus meinen Taschen ausschüttete. Liter von Wasser.
    »Aber Sie sind hervorragend gefahren«, sagte ich, als ich ihn bezahlt hatte.
    Der Vaporetto lief nämlich eben erst in den Hafen ein. Im Magen und zwischen den Zähnen hatte ich Salz. Es war ein Gefühl, als ob ich das halbe Meer ausgetrunken hätte. Das Hemd klebte am Körper, das Papier in der Hemdentasche, das ich inzwischen fast vergessen hatte, war ziemlich aufgeweicht. Der Haftbefehl.
    Festzunehmen ist (sind)
    ein unbekannter Mann (unbekannte Männer)
    Gesucht wegen:
    1. Betrügerischen Wunder-Spiels
    2. Karussell-Diebstahls
    3. Elefanten-Diebstahls
    Ich verzog das Gesicht. Das Salz im Mund schmeckte plötzlich noch salziger. Auch wenn der Haftbefehl naß war und die Schrift stellenweise verschmiert, es handelte sich hier um einen immer noch gültigen dienstlichen Befehl, der deutlich ausdrückte:
    Festnehmen! Unterschrift: Quincy.
    Leise

Weitere Kostenlose Bücher