Panik: Thriller (German Edition)
sich und rollte zur Seite. Mühsam zwängte er sich unter ihr hervor, als müsste er sich aus Treibsand befreien. Seine Fingernägel bohrten sich in den Teppich. Jetzt bemerkte er, dass Claire ihre Zähne in seinen Oberarm geschlagen hatte. Ein Fleischfetzen hing aus ihrem Mund. Ihre Augen sprühten vor Zorn. Seine Faust landete fast unwillkürlich auf ihrer Nase. Mit einem Schrei ließ sie los und fiel nach hinten.
Irgendwie schaffte Benny es, sich aufzurappeln. Er sah, dass sich Crappers Kiefer um den Knöchel seiner Mutter geschlossen hatte, begriff selbst inmitten dieses Durcheinanders, dass ihm der Hund das Leben retten wollte. Mum rollte wie ein gestrandeter Wal auf dem Boden herum und gab grässliche, ächzende Töne von sich. Sie wollte sich ebenfalls aufrichten, wilde Entschlossenheit funkelte in ihren irren Augen. Sie wollte aufstehen, um ihn endgültig fertigzumachen.
Claire kam wie ein Zombie auf ihn zugewankt. Benny schubste sie mit beiden Händen gegen die Wand. Sie prallte zurück und ging wieder auf ihn los. Dieses Mal hielt Crapper sie auf. Er sprang über Moms zappelnden Körper, biss in Cl aire s Oberschenkel und riss sie zu Boden.
Benny sprang mit zwei Sätzen durch das Wohnzimmer. Vor ihm war die Küchentür, er sah bereits den Hinterausgang. Er könnte es schaffen, könnte entkommen. Könnte.
Plötzlich bemerkte er eine Bewegung neben sich und drehte sich in dem Augenblick zum Fenster um, als es zersplitterte. Glassplitter regneten in den Raum. Er ging in die Hocke und legte die Arme schützend vors Gesicht. Dann prallte etwas gegen ihn, und hätte er sich nicht mit einer Hand abgestützt, wäre er beinahe erneut zu Boden gegangen. Er stieß sich ab wie beim Hundertmeterlauf, wollte losrennen, doch dann schloss sich eine Hand um seinen Fuß und zerrte so fest daran, dass er mit dem Gesicht voran auf den Teppich fiel. Er trat um sich und wandte sich dem neuen Angreifer zu: ein Fremder in Jeans und einem grünen Latitude-T-Shirt hatte beide Hände um Bennys Bein gelegt. Sein Gesicht– blutverschmiert und mit Glasscherben bedeckt– war zu einer Grimasse blanker Wut verzerrt.
Der Mann zog Benny zu sich heran wie ein Angler einen Fisch am Haken. Claire hatte sich inzwischen von Crapper befreit. Der Hund rannte heulend in Kreisen durch den Raum, das Weiße in seinen Augen schien das Hellste im Raum überhaupt zu sein. Seine Mum war ebenfalls wieder auf den Beinen, und eine weitere Person versuchte, durch das Fenster einzusteigen – der schon über siebzig Jahre alte Mr. Porter, dessen vom grauen Star getrübte Augen hasserfüllt funkelten. Seine Hände waren so fest zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Benny wollte sich herumdrehen, doch der Mann war zu stark. Seine Finger bohrten sich wie Metallstäbe in sein Fleisch. Er zog mit aller Kraft, schon hatten seine Finger beinahe Bennys Knie erreicht.
» Mum!«, rief er. » Hör auf! Hör auf damit!«
Sie warfen sich alle gleichzeitig auf ihn, sie waren so schwer, dass er das Gefühl hatte, von ihnen in ein dunkles Grab gerissen zu werden. Er schlug um sich, doch irgendwann konnte er seine Beine nicht mehr bewegen. Dann landete etwas Schweres auf seinem Rücken. Dicke Finger schlossen sich um seinen Hals, drückten gegen seine Luftröhre, sodass er nur noch pfeifend atmen konnte. Er ließ den Kopf zurückschnellen, versuchte, die Hände abzuschütteln, und sah, wie zwei weitere Personen durch das eingeschlagene Fenster stiegen, verschwommene Silhouetten im Sonnenlicht. Sie drängten sich in den engen Raum, schlugen, kratzten, traten, bissen. Bis auf ihr schweres Atmen und das blecherne Lachen aus dem Fernseher war nichts zu hören.
Dann traf etwas viel Härteres als eine Faust seinen Hinterkopf, und es wurde dunkel um ihn. Er konnte die Schläge noch hören, sie aber nicht mehr spüren. Er schloss die Augen, ließ sich dankbar in eine angenehme Benommenheit sinken, ließ Schmerz und Verwirrung hinter sich…
Es hörte so plötzlich auf, wie es begonnen hatte. Er wollte atmen, konnte jedoch nicht. In den letzten Sekunden seines Lebens hörte Benny, wie sich die Hintertür öffnete, hörte die Schritte von feuchten Schuhen, hörte das Knarren des Korbstuhls, als sich seine Schwester wieder setzte, hörte den Hund winseln.
Und dann– ganz unglaublich– füllte seine Mum in der Küche den Teekessel.
Mit diesem vertrauten Geräusch, einem Geräusch, das er an jedem Tag seines Lebens vernommen hatte, verließ er diese
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