Parallelgeschichten
eingetrocknetes Sperma entfernen. Von der Beschaffenheit des Spermas hatte sie keine Ahnung gehabt. Sie hatte ihn für eine Art Rotz gehalten. Und jedes Mal gestaunt, wenn sich seine dichte Masse nicht verklumpte, sondern im Wasser leicht auflöste, also kein Rotz war, sondern Ekel, Entsetzen, Beklemmung, Angst, dass sie mit ihren Exzessen ihr Leben kaputt machte.
Die düsteren Voraussagen ihrer Eltern würden sich bewahrheiten.
Bloß nicht schwanger werden.
Manchmal hinterließ das Sperma einen gelblichen, scharf umrissenen Fleck auf dem Laken, und sie war sich nicht sicher, ob das nicht ihr eigenes normales, in der Lust ausgeschiedenes Vaginalsekret war. Oder das erste Anzeichen von Syphilis, der Fleck war so dunkel. Da ist Blut drin. Andere Male blieb ein Fleck in ihrem Taschentuch, mit dem sie sich, oder im schlechteren Fall ihre Kleider, hastig abwischte, manchmal war es auch in ihrem schwarzen Haar, weiß eingetrocknet, was sie peinlicherweise erst vor dem Spiegel des Probensaals bemerkte.
Sie spülte und knetete die Textilien, als fürchte sie, sie würde die Flecken nicht entfernen können. Breitete sie dann aus und ging eilig und schlechten Gewissens zurück, immer noch ohne zu wissen, wohin mit ihrer Aufwallung. In Márias Salon standen sie genauso da wie Vladas Korsakas, nachdem er sie aus dem Krankenhaus ins Hotel zurückgebracht hatte.
Als wäre nichts geschehen, keine Operation, keine Narkose, stand er da vor ihr, warm und real in seinem weißen, dicken Zopfmusterpullover. Unabhängig von dem vielen, was in ihrem Kopf abgelaufen war. Die drei Frauen standen auf die gleiche Art um den Tisch herum, und jede ihrer kleinsten Bewegungen ließ den Rauch zwischen ihnen schichtweise schweben. In diesem dicken, weißen, hochgeschlossenen Pullover sah er nach mehr aus, als er in Wirklichkeit war, darunter hatte er kein Hemd an. Alles war noch gleich, das Bett, die schweren Vorhänge an den Fenstern, die Sitzwanne in einer Ecke hinter dem japanischen Paravent, ihr Hotelzimmer war durch den Unfall nicht verändert. An den Gegenständen sah sie keine Spur von Freude oder Schmerz oder Anteilnahme.
Auch hatte niemand Elisa das Glas aus der Hand genommen, obwohl sie es weiß Gott wie lange schon jammernd hinhielt, etwas wollte, trotzig forderte.
Was das war, ließ sich nicht leicht sagen.
Jenseits der offenen Fenstertüren, über den wippenden Petunienkelchen, funkelte reglos die städtische Nacht. Eisig hatten draußen die feuchten Äste im Wind geschaukelt, und sie hatten das Dienstmädchen rufen müssen, sie solle Holz nachlegen, das Zimmer sei zu kalt, und warmes Wasser solle sie auch bringen.
Elisa gab das Glas nicht aus der Hand, im Gegenteil, sie signalisierte etwas, zeigte auf etwas. Ihr Blick leuchtete wild, und als Bella ihm folgte, landete sie bei Irmas fast unberührtem Getränk.
Das wollte sie haben, gib her, forderte sie, was Irma übrig gelassen hat. Es war offensichtlich, dass sie nicht so sehr das Getränk wollte, sondern dass sie rasend eifersüchtig war.
Szapáry schürzte ein wenig die Lippen und zuckte ärgerlich mit den Schultern. Meinetwegen, beantwortete sie Bellas stumme Frage. Soll sie sich halt betrinken, wenn es unbedingt sein muss.
Das leere Glas klopfte auf dem Teewagen.
Sie hätten genauso gut noch reden können, aber in solchen Momenten redeten sie nicht mehr.
Dobrovan in ihrem an Taille und Brust reich plissierten dunklen Seidenkleid stellte sich hinter den Stuhl, was wiederum Wellen durch den Rauch laufen ließ, während sich die Aufregung legte.
Darauf hatten sie gewartet.
Das abendliche Kartenspiel enthob sie der lästigen und verantwortungsvollen Pflicht der Konversation, aber es brauchte eine Weile, bis die eigene Logik des Spiels sie vergessen ließ, was ihnen dauernd im Kopf herumging und womit sie sich gegenseitig doch unbarmherzig belasteten. Wieder einmal war es unwillkürlich so weit gekommen, dass sich jede mit jeder angelegt hatte. Frau Szemző schob die Zigarette mit der Zunge geschickt in den Mundwinkel, blinzelnd, auch so biss der Rauch sie in den Augen. Sie hob das eine Pack Karten hoch, mischte und fächerte es in einem Bogen auf den Tisch.
Alle vier zogen eine Karte und schlugen sie mit einem leisen Knall auf. Mit dem Wert der Karten war die Reihenfolge festgelegt und also auch die Sitzordnung. Die eine seufzte darüber, die andere machte tz, tz, es wurde aufgelacht, mit der Zunge, mit den Lippen geschnalzt.
Geräusche verschiedener Art, doch alle
Weitere Kostenlose Bücher