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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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irgendeinem Grund nicht voneinander lösen zu können.
    Meine Eltern leben in Pfeilen, ich bin dort geboren. Allerdings etwas außerhalb der Stadt.
    Eine Stadt heißt so, fragte der Polizist, und eine Weile musterten sie sich misstrauisch.
    Im Westen, sagte der Student und zeigte mit dem Finger in die Richtung, Niederrhein.
    Habe ich noch nie gehört, ist aber bestimmt mein Fehler.
    Wir haben da von alters her einen Hof, meine Eltern wohnen aber in der Stadt. Ein unbedeutender Ort, man muss ihn nicht kennen.
    Der junge Mann wollte zuvorkommend lächeln, was eher zu einem Zähnefletschen geriet.
    Es war nicht auszumachen, wer von den beiden zuerst die Hand ausstreckte. Jedenfalls gaben sie sich die Hand, der Händedruck brachte sie beide gehörig in Verlegenheit.
    Der Polizist stellte sich zögernd vor, Dr. Kienast.
    Der Doktortitel blieb zwischen ihnen in der Luft hängen. In der Berührung der nackten Handflächen, in den gegenseitig gespürten Wölbungen lag etwas übermäßig Körperliches. Der Doktortitel hatte eher mit Heilen zu tun. Als mache der Kommissar diesbezüglich ein Versprechen. Und es führte auch dazu, dass der Kommissar aus der unabsehbaren Menschenmasse, deren unbedeutende Teile sie beide gleicherweise waren, herausgehoben wurde. Aber der junge Mann erstarrte vor solcher Vertraulichkeit vollends und erwiderte die taktvoll zurückhaltende und vielversprechende Vorstellung nicht.
    Wenn es den anderen interessierte, konnte er seinen Namen ja im Protokoll nachsehen, das ein uniformierter Kollege vorhin aufgenommen hatte. Und dann, im Glauben, dass er das unterbrochene Laufen ohne weiteres fortsetzen konnte, rannte er los.
    Schließlich war ja nichts geschehen.
    Nach ein paar Schritten wurde er gewahr, dass er sich völlig verkalkuliert hatte. Das alles ging über seine Kräfte. Es war doch etwas Fatales geschehen, etwas, worüber er nicht leicht hinwegkommen würde. Wenn er überhaupt mit heiler Haut davonkäme. Mit seiner blöden Geschwätzigkeit hatte er alles vermasselt, warum hatte er ausgepackt, wohin er reiste, warum hatte er freiwillige Erklärungen abgegeben. Er verlangsamte den Schritt, dann aber wechselte er den Rhythmus und versuchte, seinem Davonlaufen noch größeren Schwung zu geben, doch seine Schenkel schlotterten, seine Knie zitterten, er fand keinen Atem, und vor allem spürte er im Rücken den provokanten Blick dieses elenden Polizisten.
    Tatsächlich blickte der ihm lange nach, dann wies er die Techniker an, den Fußabdruck des jungen Mannes zu sichern. In den Muskeln seiner Handfläche fühlte er noch den Druck der anderen Hand, ihre Wärme klebte an der Haut, zog in die Muskelfasern hinein, höchst angenehm, auch wenn die Bewertung der Berührung zweifellos Teil der Untersuchung war. Kienast, der seine Doktorarbeit über die magische, mythische und rationale Epoche in der Geschichte der Beweisführung geschrieben hatte, galt unter den strikt wissenschaftlich und streng nach Reglement vorgehenden Kollegen als großer Phantast. Seiner Methoden wegen hätten sie ihn sogar ein wenig abschätzig betrachtet, wären da nicht seine weitgefächerte Aufmerksamkeit und sein solides Fachwissen gewesen.
    Allmählich wurde es heller, aber im fernen Licht der Lampen sah man noch immer Schnee fallen.
    Als hätte er in dem Händedruck des jungen Mannes eine ungeheure Kraft und zugleich ein wahnsinniges Zittern gespürt, was er nicht in Einklang bringen konnte. Der Junge war vielleicht drogensüchtig, war gerade auf Entzug, vielleicht deswegen erschienen seine Gesichtszüge so vorzeitig gealtert und verbraucht.
    Er konnte die schlanke Gestalt im Schneefall zwischen den Bäumen immer noch sehen.
    Hoffnungslos, sagte er sich, hätte aber nicht sagen können, auf wen oder was sich das eigentlich bezog.
    Als bekäme er noch einen hoffnungslosen Fall als Zugabe. Was er der Schicksalsfügung, im nächtlichen Bereitschaftsdienst nicht abgelöst worden zu sein, zu verdanken hatte. Und als wäre das bevorstehende Weihnachtsfest nur dazu da, die Komplikationen noch zu vergrößern. Wobei sich Kienast in diesem ihm zusätzlich aufgehalsten Fall im Prinzip nur mit zwei ganz schlichten Dingen hätte beschäftigen sollen. Die Identität der unbekannten Person feststellen sowie die Möglichkeit ausschließen, dass ihr Tod durch Gewalteinwirkung verursacht worden war. Er sah voraus, dass das ganz simpel war und er es doch nicht befriedigend würde lösen können. Der Junge würde ihm irgendwie reinpfuschen. Sein

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