Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Mobilnummer.«
»Werbetexter?« Der Dichter überprüfte das Ausmaß der Zumutung: »Kann ich das?«
»Was gibt’s da zu können? Die Argumentation schreiben dir die Marketingmenschen doch vor. Du musst das nur zuerst ins Deutsche übersetzen – du weißt, was ich meine – und dann auf den Punkt bringen. Das kannst du.«
Der Dichter sah ein, dass seine existenzielle Situation das Nichtwahrnehmen der Chance nicht rechtfertigte. Er rief den Werbeleiter von »Allfood« an und erhielt auch einen Termin.
Die Kostümierung für das Vorstellungsgespräch überlegte er sich genau. Er entschied sich für – soweit bei seiner Garderobe möglich – Seriosität mit einem unübersehbaren Schuss Künstlertum. Dann stieg er in ein öffentliches Verkehrsmittel, erreichte die Einschüchterungsarchitektur des Konzerns, absolvierte Lift und Gänge und landete in einem Vorzimmer, chic wie dessen Verwalterin und dann, von der eingewiesen, im Büro des Werbeleiters. Dort legte er seine Nervosität sofort ab. Denn erstens war der Raum geschmackvoll eingerichtet – an den Wänden hingen witzige Cartoons – und zweitens erwies sich der Werbeleiter als smarter Mann von großem Mitteilungsbedürfnis. Bevor er nämlich den Bewerber nach dessen Qualifikation befragte, erklärte er ausführlich, wie und warum er der Konzernleitung nachgewiesen hätte, ein Werbeteam im Haus sei rationeller als die Partnerschaft mit einer Agentur. Das begründete er mit Argumenten, die zu begreifen der Dichter nicht die mindeste Lust hatte. Der dachte sich nur, so hieb- und stichfest konnten die Argumente nicht sein, wenn man sie mit derartigem Nachdruck preisen muss.
Dann kam er dran. Der Werbeleiter fragte nach seiner Qualifikation.
»Ich kann Deutsch«, sagte der Dichter wahrheitsgemäß. Ein amüsiertes »Und darüber hinaus?« war die Gegenfrage. Der Dichter holte aus der Seitentasche seiner Jacke ein schmales, leicht fleckiges Paperback-Bändchen mit seinen Gedichten heraus.
»Das soll Sie nicht verschrecken. Aber dafür habe ich einen kleinen Preis bekommen. – Ja, darüber hinaus? – Ich glaube, ich könnte jedes Argument verdichten, wenn Sie wissen, was ich meine. Und darauf kommt’s doch in der Werbung an, oder?« Der Werbeleiter hatte ein wenig in der Lyrik geblättert. Dann sagte er überraschend: »Drei Probemonate. Okay?«
Diese Reaktion wurde dem Dichter, der nun angestellter Werbetexter mit fixen Bürozeiten und regelmäßigem Einkommen mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld war, erst nach und nach begreifbar. Der Werbeleiter war ein Freund der schönen Künste, ein Opernfan, ein Kunstgaleriebesucher. Er fühlte sich der Riege der Fraß produzierenden Kaufleute turmhoch überlegen und durch die Nähe eines Gedichte schreibenden Untergebenen geschmückt.
Der Dichter hatte Erfolg. Seine Texte wurden immer mehr zur Marke der Marke. Vor allem seine Slogans. Er entdeckte an sich die diabolische Freude, gegen seine Überzeugung zu schreiben. Denn im Angebot des Konzerns »Allfood« gab es so gut wie nichts, vor dem es den Dichter nicht von Herzen graute.
Alle diese Halbfertig- und Fertiggerichte, alle die Soßen- und Suppenbasen, all dieses eingeschweißte Zeug verursachte bei ihm geradezu Ekel. Er stammte aus einem Haus, in dem es noch eine Herrschaftsköchin gab, er war bis zum Abschied aus dem Gymnasium kulinarisch höchst verwöhnt herangewachsen. Seine Abneigung gegen den mit diesen Produkten verbundenen Lebensstil formulierte er seitenverkehrt. Er verlangte von seiner Werbeargumentation die Intensität seiner Antihaltung. Das führte zu Texten, die der Werbeleiter gelegentlich den im großen Sitzungssaal rund um den Tisch versammelten Herren erst interpretieren musste. Aber das konnte der Mann eben auch ausgezeichnet. Die nach der ersten großen Kampagne deutlich steigenden Verkaufszahlen machten die Partner Chef und Texter zum Erfolgsteam. Nach einem Jahr erhielt die Werbeabteilung von »Allfood« eine Goldmedaille der Werbewirtschaft.
Dem Dichter ging’s gut. Er durfte bald auch ein bis eineinhalb Stunden später ins Büro kommen. Dem Werbeleiter aber musste es überragend gehen, denn der kaufte in regelmäßigen Abständen Bilder, deren Wert dem Dichter bekannt oder erahnbar war. Manchmal fragte er sich, welche Gage der Werbeleiter wohl hätte.
Alles ging seinen Gang. Eines Tages besuchte ein Freund aus dem Gymnasium den werbetextenden Dichter. Der Freund war mittlerweile Erbe einer großen Druckerei und wollte von seinem
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