Partner, Paare, Paarungen - Erzählungen
Ein vor allem in kommerzieller Hinsicht renommierter Fernsehregisseur hatte in der Agentur seine Bewerbungs-DVD gesehen und sofort gesagt: »Den habe ich gesucht.« Dieses Urteil war nicht nur wegen tadellosen schauspielerischen Vermögens, sondern vor allem auch wegen einer von einem brünetten Lockenkopf bestimmten Optik verständlich. Der junge Mann war – früher einmal hätte man gesagt – ein Beau, ohne zu vermitteln, dass ihm das bewusst war.
So war es zu verstehen, dass er in der Vorpresse zu dieser Hauptabendserie, zugleich mit bekannten jungen Kolleginnen eine große Rolle spielte. Und so war es auch zu erklären, dass der Rezeptionist von Anfang an wusste, wer der Gast mit dem »von« im Namen war.
Der berufsbedingte Aufenthalt in der Filmstadt hielt, was man sich von ihm versprochen hatte. In jeder Hinsicht. An der einen hatte das Hotel sein größtes Verdienst. Und da eben besonders der Italiener in der Rezeption. Der war in der Beurteilung, welcher Anruf weitergeleitet wird und welcher nicht, wem man sagen kann, der Gast wäre im Hause oder nicht, und was es da noch für Differenzierungen gibt, grenzgenial. Er wurde zum beiderseitigen Vergnügen zu einer Art von Privatsekretär des Gastes.
Nachdem der eingesehen hatte, das »Conte« war dem Italiener nicht auszutreiben, verlangte er mit Erfolg, wenigstens das »Signore« wegzulassen. Um die Vertraulichkeit zurückzugeben, erfand er seinerseits für den, einen wunderschönen italienischen Vornamen führenden Hotelangestellten ein schlichtes »Direttore«.
Der »Conte« und der »Direttore« wurden Freunde, ohne je auch nur daran zu denken, das »Sie« in Frage zu stellen. Manchmal unterhielten sie sich auch privat. Nach Dienstschluss ging der Direttore ganz gerne noch kurz an die Bar des Hauses, und wenn es sich ergab, dass der Conte ausnahmsweise allein nach Hause kam, setzte sich der ebenso gerne dazu. So erfuhr er, dass der Direttore nun schon seit zehn Jahren fern der apulischen Heimat war und bei seinen jährlichen Besuchen etwas Trauriges feststellen muss.
»Für die bin ich kein Italiener mehr«, sagte er. »Ich weiß nicht, woran es liegt. Aber es ist so.«
Derartige Äußerungen verraten Melancholie und die wiederum schreit nach einem Glas Wein. So erfuhr der Conte eben auch, der Direttore sei seit Kindesbeinen glühender Anhänger eines der prominentesten italienischen Fußballclubs, der aber sei nunmehr im Besitz eines der widerwärtigsten rechten Politiker des Landes, und so wisse er nicht mehr aus noch ein.
»Soll ich mich freuen, wenn wir gewinnen oder soll ich dem Schwein wünschen, dass er in der ersten Runde von der Champions League rausfliegt?«
Das konnte der Conte auch nach dem dritten Glas nicht schlüssig beantworten.
Das Vertrauensverhältnis der beiden Männer steigerte sich zur Innigkeit, als der Conte eines Tages am Vormittag von einer Kollegin besucht wurde. Er war wie immer der Meinung, kein Mensch könnte die ganz locker zum Lift gehende junge Dame einer Adresse zuordnen. Er unterschätzte den Direttore. Der registrierte die gespielte Unbefangenheit der Besucherin und wusste Bescheid. Das war an diesem Tag nun von existentieller Bedeutung. Denn etwa zwanzig Minuten später kam durch die Drehtür die fixe Freundin des Conte. Ein unangemeldeter Überraschungsbesuch. Der Direttore stürzte sich auf die »Signora« und sprudelte leicht verwirrtes Zeug von einem Nachtdreh, außerhalb, bei dem Flussufer, wo der Fluss gestaut wird. Und da man dann die Morgenstunden mitdrehen muss, hätte ihm der Conte gesagt, das Team würde an Ort und Stelle bleiben, er würde am Morgen im Wohnwagen ein Stündchen schlafen und dann nach dem Dreh, todmüde wie er sein wird, erst ins Hotel gebracht werden.
»Signora, das wäre doch toll, wenn Sie ihn beim Dreh überraschen. Mein Dienst ist zu Ende. Ich bring Sie hin.«
Er redete ihr sogar aus, sich »rasch noch frisch« zu machen, da er meinte, man müsse sofort fahren, um noch was vom Dreh zu sehen. Der jungen Frau schien das alles nicht sehr koordiniert, was der Italiener da von sich gab, aber sie fand es charmant und überzeugend.
Der Direttore zog sein Dienstjackett aus, sagte zu seinem Kollegen ein paar für die junge Dame unverständliche Sätze, drückte den Liftknopf in Richtung Garage und brauste mit der »Signora« davon.
Nach etwa zwanzig Minuten angeregtesten Geplauders über dieses und jenes, vor allem über die Bewunderung des Direttore für die Disziplin des Conte,
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