Pasdan
Edelsteinen, Schnitzereien, Teppichen und anderen Objekten aus dem hohen Norden traf also nicht nur die Frachtagenten und Handelshäuser.
Dann dachte er an die Morgenbegegnung mit Pa’aira. Und an Begheli, die das andere Apartment an der Hafenseite bewohnte und mit der ihn, wenn nicht gerade beide anderweitig engagiert waren, eine Ab-und-An-Liebschaft verband, die sie spöttisch »nächtliche Solidarität« nannte. Pa’aira und Begheli arbeiteten im Meeresleuchten, seit sie von der »Vergnügungsflotte« zurückgekommen waren, einem treibenden Komplex aus Kasinos, Hotels und Bordellen auf dem Binnenmeer. Ein dunkelbärtiger Hüne aus dem Commonwealth hatte dieses und andere Geschäfte betrieben - Drogen, Mädchenhandel, Raub, Erpressung, Falschmünzerei. Die Behörden in Cadhras wußten Bescheid, kannten die wichtigsten Mitarbeiter von Eftalmi Nobrega, aber niemand konnte etwas unternehmen. Es gab keine Beweise; Nobrega balancierte am Rand des rechtsfreien Raums - die hohe See lag außerhalb von Protektorat und Shil-Ländern. Die von Gendarmerie und Sicherheit gebildete Nobrega-Kommission griff immer wieder ins Leere. Bis die Agentin Pa’aira sich freiwillig für die Vergnügungsflotte »anwerben« ließ. Sie brachte Begheli mit zurück, und alle notwendigen Informationen; dann quittierte sie den Dienst.
Die dritte Frage galt dem alten Mann, von dem Hariyal gesprochen hatte. Saravyi war eine wandernde Legende, Odysseus von Shilgat; die eher zynischen als pathetischen Shil verehrten ihn. Barakuda war ihm nie begegnet. Von den hochrangigen Cadhrassi kannte nur der Präfekt der Gendarmerie den alten Shil, aber viel Erhellendes konnte Vito Ataratz nicht sagen.
Ataratz eröffnete die Konferenz informell; man hatte längst mit allgemeinem Gerede begonnen, als Barakuda im Tower eintraf. Der Präfekt nickte ihm zu und räusperte sich.
»Na, haben Sie im Serai noch was rausgekriegt?«
Barakuda klopfte zur Begrüßung auf den Tisch, setzte sich und goß sich Kaffee ein. »Kaum. Nur die Bestätigung der Dinge, die wir längst wissen.«
»Mit wem haben Sie gesprochen?«
»Hariyal. Dem alten Händler aus Biyang.«
Ataratz strich über sein eisgraues Haar. »Wenn der nichts weiß…«
Barakuda grinste ihn an, dann die beiden Vertreter der Wirtschaft, einen Frachtagenten und den Direktor einer Handelsniederlassung. »Da das so ist, können wir uns wohl vertagen, oder?«
Der Frachtagent hob eine Braue. »Sie belieben zu scherzen, wie?«
Die Sekretärin der Finanzen zwinkerte Barakuda zu, sagte aber nichts; ebenso die junge Shil, die von den Heilern und Häuptern der Isthmus-Stämme entsandt worden war. Neben ihr hüstelte der Assistent der Obersten Richterin affektiert auf die Fingerspitzen, die er nicht ganz in Mundhöhe hielt.
»Fürwahr. Als einer der beiden Vertreter des Autonomen Territoriums in dieser Runde« - er warf Ataratz einen Blick zu - »muß ich darauf bestehen, daß…«
Barakuda unterbrach ihn. »Geschenkt, edler Herr. Trifft uns alle, und alle wissen es.«
Der junge Mann spitzte den Mund. »Ich muß darauf bestehen, relevante Erwägungen vortragen zu können.«
Dante seufzte. »Wiederkäuen, meinen Sie.«
»Und zwar geht es darum, daß die Finanzlage nicht nur unserer Wirtschaftsunternehmen, sondern auch der beiden Gebietskörperschaften Anlaß zu Besorgnis bietet, zumal dem Ausbleiben jener Objekte, die zum Entstehen besteuerbarer Einkünfte ebenso wichtig sind wie zur Erzeugung einer abgabeerheblichen Zollmasse, seitens der befaßten Behörden und privatwirtschaftlichen Organisationen beziehungsweise Individuen« - er holte Luft und zog mit der rechten Hand am linken Mittelfinger; es knackte - »nur sehr begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten gegenüberstehen, soweit diese in der augenblicklichen Situation und hinsichtlich des mutmaßlichen geographischen Ursprungs der Probleme überhaupt durch Commonwealth-Recht und Protektoratsstatut sowie Shilgat-Abkommen sanktioniert, besser gesagt: sanktionierbar sind. Ich möchte insbesondere…«
Ataratz begann leise zu lachen; der Assistent unterbrach sich und musterte den Präfekten. Sein Gesicht zeigte eine Mischung aus Entrüstung und Zweifel.
Barakuda beugte sich vor und warf einen Blick auf das Blatt mit den Einzelheiten der Tagesordnung, um den Namen des Mannes herauszufinden.
»Hören Sie, Gyrster - pardon: dom Gyrster. Das haben Sie ganz prima auswendig gelernt. Es hilft uns aber nicht weiter. In diesem Kreis ist keiner, der nicht all das
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