Pasdan
Hinterland zusammen.
Barakuda brütete schweißüberströmt über den Listen; er mußte sich immer wieder Gesicht und Hände trocknen, um nicht durch Flecken alles unleserlich zu machen. Die Gouverneurin war kühl wie immer. An diesem Abend trug sie einen bis zum halben Oberschenkel geschlitzten weißen Kaftan mit weiten Ärmeln, die sie manchmal bis zu den Schultern hinaufschob. Die Fenster waren geöffnet; die trockene Luft der wieder arbeitenden Klimaanlage wäre auf die Dauer unerträglicher gewesen als die Hitze. Selten perlte ein Tröpfchen auf der glatten Haut der Gouverneurin, und wenn Barakuda es zufällig bemerkte, empfand er es nicht als erniedrigend. Der Schweißtropfen machte Lydia Hsiang noch kühler.
Er erhob sich und suchte zwischen halbleeren Teetassen und überquellenden Aschenbechern Blätter aus verschiedenen Stapeln zusammen. Ein jäher Blitz erhellte für einen Moment die Küste unter dem Palais.
»Das wär’s«, sagte Barakuda. Er meinte das Gewitter und die Listen, denn sie hatten die Daten ermittelt, auf deren Vorhandensein sie gehofft hatten. Die Gouverneurin blickte auf, wischte mit dem Ärmel über die Stirn; dann erhob sie sich und kam um den Tisch herum, um kalten Tee nachzugießen. Ihr Ärmel streifte Barakudas Arm.
Plötzlich küßten sie einander gierig und ausdauernd wie zwei Dürstende. Hsiang zog ihn zur Couch, die sie mit einer Handbewegung vom Papier befreite. Barakuda stellte fest, daß sie nichts unter ihrem Kaftan trug und allenthalben kühl war, und er wußte, daß er nicht mehr als die Oberfläche dieser glatten Haut würde berühren können.
Später tranken sie kalten Tee; Dante tastete zwischen den Kleidern am Boden nach seinen Zigaretten. Die Gouverneurin ging zum Fenster. Sie sah in die zuckende Nacht hinaus und hob die Arme, als wolle sie den frischen Wind umarmen. Barakuda betrachtete sie und fragte sich, ob er träumte.
Sie wandte sich um, fand seinen Blick, setzte sich zu ihm und sah ihn an. »Das wär’s.« Einer ihrer Mundwinkel zuckte. »Es ist unmöglich, das wissen Sie. Wir sollten es einen gelöschten Durst nennen.«
Barakuda streckte die Hand aus und folgte der Linie ihres Halses vom Ohr zur Schulter. »Ich weiß. Ihr Vorgänger hatte die Vorschriften vergessen.«
Hsiang starrte auf den dunkelroten Teppich. »Sie gelten für den Gouverneur auch einem ausgeschiedenen Mitglied des Krisenrats gegenüber.« Dann berührte sie die Narbe unter seinem Schlüsselbein und sagte tonlos: »Wir sollten uns anziehen, denke ich.«
Barakuda breitete die Liste auf dem Tisch aus. »Hier«, sagte er, mühsam konzentriert. »Siebenmal in dreieinhalb Jahren war der Frachter Nadir hier. Er landet immer vormittags. Innerhalb der nächsten drei Tage läuft jedesmal das Boot Varli Soleyn aus Pasdan den Hafen Cadhras an, mit Waren.«
Die Gouverneurin leerte ihre Teetasse. »Wann ist die Nadir wieder fällig?«
»Genau weiß ich es nicht, aber ich glaube, so in etwa vierzig bis fünfzig Tagen, gegen Anfang der Endzeit. Vorher kaum.«
»Gut. Dann haben wir Zeit. Wir brauchen Beweise. Entweder passiert bis dahin etwas, oder wir müssen warten, ob die Nadir etwas an Bord hat. Wenn ja, können wir handeln. Wenn nein, müssen wir uns etwas einfallen lassen.«
»Wir werden nichts weitergeben. Kein Anlaß, Verdacht gegen die Nadir zu haben. Und - keine Dossiers über Personen von Gaia anfordern, keine Nachforschungen, nichts, was jemanden alarmieren könnte.«
»Dieses Matriarchinnenboot, Varli Soleyn, das klingt wie ein Personenname.«
Barakuda hob die Brauen. »Wahrscheinlich. Aber der Name sagt mir nichts.«
»Vermutlich unwichtig. Jedenfalls haben wir zunächst Zeit. Kein Grund also, Ihren Erholungsurlaub weiter hinauszuschieben. Ich möchte Sie auf dem Posten und in Form haben, wenn es losgeht.«
»Ist das ein Befehl?«
»Ein dienstlicher Befehl. Und eine Empfehlung unter Freunden.«
Aus: Tagebuch II von Florisa de Clare, Gaia 118
(Manuskript)
»… Die Gebietende Mutter, die mich nach der Ermordung meiner Begleiter gerettet hatte, zeigte mir eines Tages ein Exemplar des Heiligen Buches von Varli Soleyn. Über seinen Ursprung ist wenig bekannt; in Pasdan heißt es, die Schrift sei bereits alt gewesen, als die Urmütter nach Shilgat kamen. Das Werk enthält die Grundlagen der Weitsicht, aber auch Hinweise, wie zu verfahren sei, um das Große Ziel zu erreichen. Da ich nach der langen Zeit nicht wörtlich zitieren kann, muß ich mich auf Paraphrasen
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