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Patentöchter

Patentöchter

Titel: Patentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Albrecht & Corinna Ponto
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Doppelgesichter.
    Die RAF war ein nationaler Vorläufer des heutigen internationalen Terrorismus. Das wird sich in einer größeren Zeitskala von ganz alleine einordnen. Für die Darstellung der beiden Terrorphasen könnte man zum Teil die gleichen Papp-Bühnenbilder verwenden: sich gleichende Flughafenhallen, Bahnhöfe, Hinterzimmer, Ausbildungslager, dazu die echten Orte als stumme Zeugen.

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Die Wahrheit
der Hundertstelsekunde
Corinna Ponto
    Meine Erfahrung im Umgang mit dem RAF – Thema pendelt zwischen an bestimmte »Gedenktage« gebundenem Medieninteresse und entschiedener Themenvermeidung. Ein selbstverständlicher, einfühlender Umgang ist die absolute Ausnahme. Die fällt dann allerdings auf wie ein aus der Schweigemauer gefallener Edelstein.
    Nach dem einsamen Soloprotest von meiner Mutter und mir gegen den unserer Meinung nach geschichtsfalschen Film »Der Baader Meinhof Komplex« von Stefan Aust und Bernd Eichinger hörten wir, wenn sich überhaupt jemand äußerte, fast ausnahmslos den guten Wunsch: Hoffentlich kehrt bei euch bald wieder Ruhe ein oder Hoffentlich kommt ihr bald wieder zur Ruhe. »Ruhe« begann ein Reizwort für mich zu werden, das mich auf der Stelle extrem pulssteigernd unruhig werden ließ. Eines Morgens wachte ich sogar auf und fragte mich, ob ich nicht einfach mal so jemandem »eine schöne Unruhe« wünschen sollte. Das Experiment steht noch aus.
    Meine Mutter hatte gegen den Film geklagt, weil sie ihre eigenen Persönlichkeitsrechte und die meines Vaters verletzt sah. Während man sich bei anderen Szenen bis hin zu den korrekten Fahrzeugkennzeichen um historische Detailtreuebemüht, verfährt man in der Darstellung der Ermordung meines Vaters verfälschend, was das Geschehen und Äußeres wie Haus und Interieur angeht.
    Herr M. wird wie eine Art hochherrschaftlicher Butler dargestellt, dabei war er der Firmenfahrer der Bank, ein sehr sympathischer Mann, mit dem wir bis heute in freundschaftlichem Kontakt stehen.
    Meine Mutter saß nicht, wie im Film dargestellt, während des Attentates ladylike und unbeteiligt beim Tee auf der Terrasse, sondern sie saß im ziemlich abgedunkelten Raum erstarrt am Telefon, sieben Meter von ihrem Mann entfernt, als er erschossen wurde. Wäre diese korrekte Darstellung eine allzu parteiergreifende Emotionalisierung gewesen?
    Der wohl unverzeihlichste Fehler ist die Darstellung des Todes meines Vaters selbst. Es war ein lautloser, fast geräuschloser, unheimlich stiller Tod, denn die Pistolen hatten Schalldämpfer, und es ging alles sehr schnell. Das lärmende Knallen der Pistolen, das ausgekostete Röcheln und der brutalisierte Todeskampf sind von den Filmemachern effekthascherisch erfunden worden.
    Die geschickt versteckte, doch latent vorhandene Grundpsychologie: hier die Charakter- und Rollenstudien der Terroristen und dort die klischee-, karikaturnahen Opferdarstellungen. Wieder einmal werden die maskenhaft unsympathisch gezeichneten Opfer der Nobilitierung der Terroristen untergeordnet. Auch dies subtile Gewalt.
    »Warum bin ich so wütend?«, habe ich damals einen Freund gefragt. Er sagte mir: »Das ist ganz klar. Es bedeutet für dich ein reinszeniertes Trauma. Das hast du alles schon einmal erlebt.«
    Und eine Furcht kommt dazu: diese Geschichtsdarbietung in Schulen zu präsentieren, wie die Filmfirma es vorhatte. Ich habe zwei Kinder, die zur Schule gehen. Und ich möchte nicht, dass sie sich mit der Ermordung ihres Großvaters auf der Basis eines solchen Filmes auseinandersetzen müssen.
    Von dem Attentat auf meinen Vater gab es vor Eichingers Film keine Bilder. Das war für unsere Familie immer ein gewisser Trost und auch ein Schutz.
    Als Reaktion auf den Film und aus Protest gegen die Pläne, ihn Schulen für den Unterricht zur Verfügung zu stellen, hat meine Mutter das Bundesverdienstkreuz, das sie 1988 u.   a. für die Gründung und Begleitung der »Bundesbegegnung Schulen musizieren« erhalten hat, zurückgegeben.
    Derweil machte der Film, beklatscht und bejubelt auf Partys und roten Teppichen, unaufhaltsam seinen Weg – auch in die Klassenzimmer Europas. Der Kulturstaatsminister sprach bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2008 von den »beiden großen deutschen Epen – den Buddenbrooks und dem Baader Meinhof Komplex«. Fast gleichzeitig lasen wir Zeitungsmeldungen über »Willkommen-Partys« für den Exterroristen Christian Klar in Berlin. Es waren verstörende, verletzende Wochen für uns.
    Irrsinnigerweise wurde in

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