Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Patentöchter

Patentöchter

Titel: Patentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Albrecht & Corinna Ponto
Vom Netzwerk:
bisher keinerlei Hinweise,dass inoffizielle Quellen der Abt. XXII vom Gegner erkannt wurden oder gefährdet sind.« ( BS t U , HA XXII 1261/4)
    Im Herbst 1977 werden bei der Festnahme des Terroristen Knut Folkerts 24 Kassiber, den Fall Schleyer betreffend, gefunden, die vermutlich aus einer Westberliner Haftanstalt stammen. Diese Nachricht und Informationen zum Kontaktsperregesetz werden im Verteiler der Stasioffiziere schnellstens streng vertraulich herumgeschickt. ( BS t U , HA XXII 83/24)
    Doch anscheinend ging das Einschleusen von Kassibern in die BRD – Gefängnisse trotz Kontaktsperregesetz nach 1977 mühelos weiter, denn Generalleutnant Neiber, einer der Stellvertreter Mielkes, wird 1982/83 »über das Infosystem zwischen den in Freiheit befindlichen und den inhaftierten Mitgliedern der RAF « genauestens informiert. Zudem erhält er »Kopien von Kassibern«.

    Von der Festnahme der Terroristen Schulz und Mohnhaupt erfährt Generalleutnant Neiber 1982 dann wieder direkt bei einem Termin mit IMB Brigitte Heinrich. ( BS t U , HA XXII 19115)
    Ein stetig wiederkehrendes Grundvokabular zieht sich durch die Aktenordner: Konspiration, Desinformation, Agitation, legaler Arm, Subversion, Infiltration, falsche Fährte, antiimperialistische Front, Destabilisierung des Feindes, Doppelinszenierung – womit Einschleusung von inoffiziellen Mitarbeitern sowohl in die linke wie in die rechte Szene gemeint war.
    Auf einem Formular aus dem Jahr 1970 zur Einreisesperre für Ulrike Meinhof nach Ost-Berlin steht in Klammern zum Verständnis für die Grenzbeamten: »Einreise und Transit«. ( BS t U , AKK 10454/76)
    Zahlreiche » Einreisesperren« und »Erfassungen« für die RAF – Mitglieder – welch doppelte Bedeutung die Begriffe auch immer gehabt haben mögen – bei den Bruderorganen in der Ud SSR , in Polen, der ? CSSR , Bulgarien, Ungarn, Rumänien runden das Bild ab. Ein großer Tarn- und Legendierungskomplex, in dem sich die Terroristen mit ihren oft mit mehreren Aliasnamen augestatteten Neubiografien mit offenkundigem Geschick bewegt haben. »Aussteigen« kann man das nennen – oder auch »einsteigen«. Einsteigen in neue Lügen, wo man doch so für Wahrheit kämpfte. Legende und Rückzugslegende , zwei wiederholt in den Papieren auftauchende Begriffe, sind die beiden Säulen, auf denen die Geschichte der RAF ruht.
    Fein konstruiert ist die Erzählung von der friedlichen kleinen Aussteigergruppe, die ihren Weg in die DDR über Gesprächsverhandlungen von Inge Viett Anfang 1980 gefunden haben soll. Die Deutsche Demokratische Republik stellte sich demgemäß lediglich als Asylland für ehemalige Terroristen zur Verfügung. Nur warum gibt es dann weit vor jenem Jahr 1980 so viele Belege für die aufwendige logistische Arbeit lang geschulter MfS-Mitarbeiter in dieser spezialisierten Abteilung?
    Auch die Legende, wonach die Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik 1990 vollkommen von der Tatsache überrascht wurden, dass gesuchte Topterroristen in der DDR untergekommen waren, ist nicht mehr zu halten. Das BKA hatte mindestens schon vier Jahre zuvor durch unterschiedliche Zeugen übereinstimmende klare Hinweise sowohl zum Verbleib von S. als auch von Silke Maier-Witt in der DDR erhalten.
    Dies bezeugen zwei Non-paper – also offiziell nicht existierende Dokumente – aus den Jahren 1987 und 1988. In einer MfS-Stellungnahme zu einem Non-paper des BKA von 1988 heißt es: » Bereits im März und Juli 86 ist durch eine Information des KFS [= KGB ] der Ud SSR und einen Hinweis der HVA [= Auslandsspionage des MfS] bekannt geworden, dass gegnerische Sicherheitskräfte eine Identifizierung der DDR – Bürgerin Angela Gerlach mit der als Terroristin gesuchten Silke Maier-Witt prüfen.« ( BS t U , HA XXII 19481) Und ausweislich eines MfS-Vermerks vom 5. März 1988 bat ein westdeutsches Mitglied der bilateralen Kommission während eines Empfangs in der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR am 3. März 1988 einen Vertreter des DDR – Justizministeriums, ob er bestätigen könne, dass es sich bei »Angela Gerlach« um Silke Maier-Witt handele. ( BS t U , HA XXII 19481)
    Lässt die auffallend rasche Festnahme aller Aussteigerterroristen innerhalb von sechs Tagen im Juni 1990 nicht auf koordinierte Vorinformationen und Formulierungsabsprachen schließen? Vielleicht hatte der Zeitpunkt der Festnahme auch damit zu tun, dass S. in Dubna bei Moskau lebte und die Verfolgungsbehörden warten wollten, bis sie wieder nach Deutschland käme.

Weitere Kostenlose Bücher