Patterson James
spöttischen Lächeln.
»Weißt du, Pellisante, das Problem bei italienischen Hochzeiten
ist, dass jeder eine Waffe mit sich herumträgt.«
Ich verpasste Cavello einen Schlag. Er fiel auf ein Knie, und
eine Sekunde lang dachte ich, er würde kämpfen wollen, aber er
stand nur kopfschüttelnd auf und lachte.
Also schlug ich noch mal zu, mit aller Kraft, die mir geblieben
war.
Diesmal blieb er unten.
TEIL EINS
DIE ERSTE VERHANDLUNG
1
In seinem Haus in der Yehudi-Straße in Haifa, hoch über dem
himmelblauen Mittelmeer, versuchte Richard Nordeschenko
sein Glück mit der Königsindischen Verteidigung. Der Bauernhebel, Kasparows berühmter Angriff. Damit hatte Kasparow
1981 bei der russischen Meisterschaft Tukmakow auseinandergenommen.
Nordeschenko gegenüber saß sein Sohn, der auf den Bauern
geschickt reagierte. Sein Vater nickte, erfreut über den Zug.
»Und warum bietet der Bauer einen solchen Vorteil?«, fragte
Nordeschenko.
»Weil er verhindert, dass du deinen damenseitigen Turm
freistellst«, antwortete der Junge rasch. »Und du deinen Bauern
zur Königin vorrückst. Richtig?«
»Richtig.« Nordeschenko strahlte seinen Sohn an. »Und wann
hat die Königin die Macht bekommen, die sie bis heute noch
hat?«
»Um fünfzehnhundert«, antwortete sein Sohn. »In Europa. Bis
dahin bewegte sie sich nur zwei Felder rauf und runter. Aber
…«
»Bravo, Pavel!«
Zärtlich zauste er durchs blonde Haar seines Sohns. Für einen
Elfjährigen lernte Pavel schnell.
Der Junge blickte schweigend übers Brett, dann zog er seinen
Turm. Nordeschenko merkte, worauf sein Sohn aus war. Einst
war Nordeschenko in Glaskows Schachakademie in Kiew der
Drittbeste gewesen. Doch er tat, als würde er die Absicht seines
Sohnes nicht durchschauen, und setzte seinen Angriff auf der
gegenüberliegenden Seite fort, indem er einen Bauern nach
vorne zog.
Der Junge weigerte sich, das Angebot anzunehmen. »Du lässt
mich gewinnen, Vater. Außerdem hast du gesagt, nur ein
einziges Spiel. Dann würdest du mich unterrichten.«
» Dich unterrichten?«, foppte Nordeschenko ihn, wusste aber
genau, was er damit meinte.
»Nicht Schach, Vater.« Der Junge hob den Kopf. »Poker.«
»Aha, Poker?« Nordeschenko täuschte Überraschung vor.
»Um Poker zu spielen, Pavel, brauchst du einen Einsatz.«
»Ich habe was«, beharrte der Junge. »Ich habe sechs Dollar in
Münzen. Die habe ich gespart. Und über hundert Fußballerkarten. Sind alle noch in super Zustand.«
Nordeschenko lächelte. Er verstand, was sein Sohn fühlte. Er
hatte sein ganzes Leben über gelernt, den Vorteil zu nutzen.
Schach war hart. Einsam. Wie ein Instrument spielen. Zahlenreihen, strenger Unterricht, Übung. Bis schließlich alle
Möglichkeiten aufgesogen und im Gedächtnis fest abgespeichert
waren. Bis man nicht mehr denken musste.
Ein bisschen so wie das Erlernen von Techniken, um einen
Menschen mit bloßen Händen zu töten.
Poker hingegen war befreiend. Lebendig. Anders als beim
Schach, spielte man nie zweimal auf die gleiche Art. Man brach
die Regeln. Es setzte eine ungewöhnliche Kombination voraus:
Disziplin und Risikobereitschaft.
Plötzlich durchschnitt die Glockenspielmelodie von Nordeschenkos Handy die Stille. Er erwartete einen Anruf. »Wir
machen gleich weiter«, sagte er zu Pavel.
»Aber, Vater«, jammerte der Junge enttäuscht.
»Gleich«, wiederholte Nordeschenko, fasste seinen Sohn unter
die Arme und schob ihn mit einem leichten Klaps fort. »Der
Anruf ist wichtig. Kein Wort mehr.«
»Okay.«
Nordeschenko ging auf die Terrasse mit Meerblick hinaus und
klappte sein Telefon auf. Nur eine Hand voll Menschen auf der
Welt hatten diese Nummer. Er ließ sich auf einen Liegestuhl
fallen.
»Hier ist Nordeschenko.«
»Ich rufe im Namen von Dominic Cavello an«, meldete sich
der Anrufer. »Ich habe einen Auftrag für Sie.«
»Dominic Cavello? Cavello ist im Gefängnis und wartet auf
seine Gerichtsverhandlung«, erwiderte Nordeschenko. »Und ich
habe bereits genügend Auftragsangebote.«
»Aber keines wie dieses«, sagte der Anrufer. »Der Pate verlangt ausschließlich Sie. Nennen Sie Ihren Preis.«
2
New York City. Vier Monate später.
Der riesige, holzvertäfelte Saal war gerammelt voll mit Anwälten, Sicherheitsbeamten und Reportern. Mehr bekam Andie
DeGrasse nicht mit. Noch nie hatte sie von einem Ort so schnell
wieder verschwinden wollen wie von hier.
Doch Andie war sich ziemlich sicher, dass die anderen etwa
fünfzig Leute,
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