1621 - Die Verdammten
Father McCallum spürte die Kälte auf seinem Rücken. Kleine Eiskörner schienen von seinem Nacken herabzurieseln. Er konnte sich zudem des Gefühls nicht erwehren, beobachtet zu werden. Doch so sehr er sich auch bemüht hatte, ihm war niemand aufgefallen.
Wie sollte er sich verhalten?
Er hatte auf die Hilfe einer mächtigen Organisation vertraut, doch es sah so aus, als wäre er nicht gehört worden. Man hatte ihn einfach im Stich gelassen.
McCallum erlebte den Beginn einer wunderbaren Mainacht. Der Tag war recht warm gewesen, und auch am Abend hatte es sich nicht großartig abgekühlt. Der Duft der erwachten Natur durchwehte die Luft.
McCallum hätte ihn eigentlich wahrnehmen müssen, doch ein anderer Geruch war stärker. Sein eigener, denn er nahm den Schweiß wahr, der ihm aus allen Poren quoll. Es war eine Folge der Angst, und wenn er die Hände zu Fäusten zusammendrückte, dann war auch dort die Feuchtigkeit zu spüren.
Der Geistliche, der sich als Schotte ansah, auch wenn er nicht mehr in diesem Land lebte, hatte sich noch immer nicht entscheiden können, was er tun sollte.
Er hatte nicht gesehen, dass jemand die Kirche betreten hatte. Und doch war er sicher, nicht mehr allein zu sein. Da hörte er voll und ganz auf sein Gefühl.
Und wenn er daran dachte, wer seine Gegner waren, hätte er am liebsten geschrien.
Das war eigentlich verrückt und nicht nachvollziehbar. Es war ein Mysterium, eine Legende, und trotzdem gab es sie, denn sie hatte sich ihm offenbart.
Warten? Hineingehen?
Der untersetzte Mann mit der Halbglatze wusste nicht, wie oft er sich diese Frage schon gestellt und keine Antwort darauf erhalten hatte. Er wusste aber, dass er etwas tun musste, sonst würde er seines Lebens nicht mehr froh werden. Einfach nichts zu unternehmen war keine Lösung, denn das Leben meisterte man nur mit Taten.
Noch ein letzter Blick in die Umgebung. Da gab es nichts, was ihm einen Hinweis gegeben hätte. Die alten Buchen in der Nahe bildeten einen Wall. Hin und wieder bewegten sich die Blätter in den Kronen, wenn Wind aufkam. Die schmale Straße verlief an der Rückseite der Kirche.
Von ihr aus führte ein Weg zum Gotteshaus.
Er war leer. Um diese Zeit kam niemand, um zu beten, obwohl er die Tür nie abschloss. Möglicherweise war das ein Fehler gewesen, denn eine nicht verschlossene Tür war auch für seine Feinde von Interesse.
Es gab sie. Allen Gegenbehauptungen zum Trotz. Und sie hatten ihn auf ihre Liste gesetzt, was nicht grundlos geschehen war. Schließlich hatte er sich über Jahre hinweg mit ihrer Existenz beschäftigt. Es war alles schlecht zu begreifen, und er hatte auch keine Hilfe bekommen. Selbst im Vatikan hatte man sich seinen Behauptungen gegenüber skeptisch gezeigt.
War das normal gewesen?
Auf der einen Seite schon. Doch es gab für ihn noch eine andere. Man wollte von offizieller Seite nicht bestätigen, dass es so etwas gab. Dass eine Legende wahr werden konnte. Das durfte nicht sein.
Bevor McCallum sprach, nickte er vor sich hin.
»Und doch weiß ich es besser«, flüsterte er. »Ja, ich weiß es. Und ich stehe damit allein auf weiter Flur.«
Er wollte das nicht länger. Man hatte ihm nach reiflichen Überlegungen Hilfe versprochen. Jemand würde ihn aufsuchen, der ihm zur Seite stehen sollte. Bis dahin sollte er die Ruhe bewahren und mit keinem Menschen darüber reden.
Er hatte sich daran gehalten und hoffte jetzt, dass sich die andere Seite so lange zurückhalten würde.
Es war noch nicht zu spät. Gerade mal zweiundzwanzig Uhr. Wenn er zum Himmel schaute, sah er das glatte Rund des Vollmonds. Die Kugel dort gab einen honiggelben Schein ab, in den hinein sich eine Wolke geschoben hatte.
Er musste also abwarten, bis der Besucher kam, dessen Namen man ihm nicht mal genannt hatte. Aus Sicherheitsgründen, wie es aus Rom geheißen hatte. Als würde man ihm nicht trauen.
Father McCallum atmete schwer. Er stand gebeugt da, wie von einer großen Last gedrückt. Seine Augen brannten, obwohl kein Feuer in der Nähe brannte, das hätte Rauch absondern können.
Er sah wieder an der Front der Kirche hoch, als wollte er ihre Höhe abmessen. Kein Licht leuchtete, und auch hinter den Mauern des Turms war alles finster.
Nein, er wollte nicht länger draußen warten. Eine gewisse Kraft drängte ihn, die Kirche zu betreten, und als er endlich diesen Entschluss gefasst hatte, da spürte er, wie sein Herz schneller zu schlagen begann.
Er ging.
Die letzen Meter fielen ihm schwer. Dabei
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