Pechvogel
verlief nach dieser Ankündigung noch durchaus erträglich.
Richard und Susanne lachten viel zusammen, zwischendrin aß jeder eine kleine Pizza. Sie erzählten sich aus ihren sehr unterschiedlichen Leben. Susanne konnte über zehn Stimmen von deutschen Prominenten fast eins zu eins imitieren. Richard legte ihr nahe, es in der Showbranche als Komikerin zu versuchen. Susanne arbeitete aber bei einer Fluggesellschaft am Flughafenschalter und das wollte sie auch weitermachen.
Weit weniger als die Hälfte, was Susanne in ihren liebeloveamore-Profilfragebogen geschrieben hatte, stimmte mit der Realitätsfrau Susanne überein.
Leidete sie unter Wahrheitsstörungen?
Oder kannte sie sich gar selbst nicht?
Richard stand vor einem Rätsel.
Plötzlich klingelte Susannes Handy.
Sie sagte: »… nee, der ist ganz okay … kein Hammer, aber nett … brauchst nicht eingreifen … wirklich … werde alleine mit ihm fertig … bis später dann um zwölf.«
»Wer war das?«, fragte Richard freundlich.
»Mein schwuler Kumpel, der passt auf mich auf.«
»Aha. Und warum aufpassen?«
»Ich wusste ja nicht, wie du so drauf bist. Hättest ja auch ein Arsch sein können und aussehen wie Kotze, also nicht so wie auf dem Bild.«
Da bin ich ja froh, dass ich nicht wie Kotze aussehe, dachte Richard.
»Und wieso eingreifen?«
»Er ist hier ganz in der Nähe. Ich hab ihm gesagt, er soll mich irgendwann am Abend anrufen, damit ich sagen kann, ob er mich hier rausholen muss oder nicht«, sagte sie.
»Muss er also nicht?«
»Nein, mit dir werde ich alleine fertig, das hast du ja gehört«, sagte sie.
Und Susanne lächelte, nein, stimmt nicht, das hätte sich Richard gewünscht. Sie lachte! Und zwar laut und aus voller Kehle. Sie meinte das ernst. War er wirklich so ein arm anmutendes Würstchen? Warum saß sie überhaupt ihm gegenüber? Sollte sie doch gleich zu ihrem schwulen Freund aufbrechen. Der erwartete sie ja schon sehnsüchtig. In einer Stunde war es eh zwölf.
Richard wurde ganz unwohl. Bei seinem ersten Internetdate gleich solch eine bezaubernd aussehende und witzige Frau, die aber total neben der Spur war, kennen zu lernen, ließ ihn an seiner Internetzukunft in Sachen Liebe zweifeln. Würden alle Singlefrauen aus dem Internet so sein?
Richard und Susanne schafften die eine Stunde noch gemeinsam. Dann ging jeder seiner Wege.
Er schrieb ihr nach einigen Tagen nochmals eine E-Mail und bedankte sich für den gemeinsamen Abend.
Witzig war er ja, der Abend, dachte Richard, auch wenn ich einer der Witze war.
Susanne schrieb zurück, was Richard überraschte. Noch überraschter war er über den Inhalt. Sie schrieb, dass sie auch fand, dass es ein schöner Abend gewesen sein und sie gerne mal wieder mit ihm Essen gehen würde. Rein platonisch natürlich.
Richard schrieb ihr nicht wieder.
Melanie
Das zweite Internetdate war eine Feuer-und-Flamme-von-Richard-Frau. Max hätte wohl gesagt, das Bild von ihr sehe rattenscharf aus. Und die einzelnen Komponenten ließen Richard schon auf Wolke 7 plus schweben.
26, 179 cm, 56 kg, blonde glatte, sehr lange Haare, ein Gesicht wie ein Engel, ein Busen, der nicht echt sein konnte. Es war unglaublich, dass diese Frau, Melanie, so gut zu Richard passte.
Beide hatten sich nur zweimal eine E-Mail geschickt, dann waren sie zum Telefonieren übergegangen.
Auch nicht schlecht, dachte Richard, muss ich wenigstens nicht schreiben, obwohl ich mich mittlerweile daran gewöhnt und tatsächlich Gefallen daran gefunden habe.
Aber das Telefonieren mit Melanie hatte noch einen großen Vorteil. Melanie besaß eine Erotikhotlineschmatzstimme, die einem den Atem raubte.
Melanie erfüllte auf Richards Wunschvorstellungsskala einhundert Prozent. Hatte er wirklich seine absolute Traumfrau gefunden? Übers Internet? Er konnte es kaum fassen.
Melanie hörte ihm zu, interessierte sich für seine Hobbys, sie sprachen über das Kino, über Politik, über Sport. Sie erzählte Richard von ihrer Mode, was für tolle Kleider und Schuhe sie sich immer kaufte, wie sie von allen (Frauen und Männern) bewundert wurde, für ihr Aussehen, sie aber nichts darauf gab, da Männer ihr Herz erobern mussten.
»Und du hast das, Richard«, sagte sie.
Richard hörte schon die Hochzeitsglocken läuten, auch wenn er vom Heiraten eigentlich gar nichts hielt. Träumte von einem Leben mit ihr, einem Traumschloss am Starnberger See. Wunderschönen und wohlerzogenen Kindern. Richard war im rosaroten Melanie-Gefängnis
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