Peeling und Poker (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
noch mit der Staatsanwaltschaft – „komme sofort!“ – als Kyburz ein paar einleitende Worte sagte. „Nick Baumgarten hat mich gebeten, die spanische Polizei um Rechtshilfe zu ersuchen, und das werde ich selbstverständlich gerne tun, sofern Sie mir genügend Argumente für Ihren Verdacht gegen Elena Fuchs liefern. Ich brauche mehr als nur einen leisen Verdacht oder ein Gefühl von Nick, auch wenn ich aus Erfahrung weiss, dass ich seiner Intuition meistens trauen kann. Also, was haben Sie Neues, Frau Kaufmann?“
Auch Pfister setzte sich nun an den Tisch, etwas atemlos zwar, aber mit zufriedenem Gesicht. „Der Durchsuchungsbefehl geht in Ordnung“, sagte er stolz.
„Sie kommen nachher dran, Pfister“, sagte Kyburz kurz angebunden. Er hatte keine Geduld mit Schwätzern, seine Stärken waren analytische Fähigkeiten und ausgezeichnete Kenntnisse des schweizerischen und europäischen Rechts.
Angela schaute auf ihre Notizen. „Elena Fuchs machte 1975 an der Kantonsschule Frauenfeld ihre Matura und studierte von Herbst 1976 bis Sommer 1979 in Zürich Medizin. Nach vier Semestern fiel sie durch die erste Zwischenprüfung, nach einem weiteren Jahr nochmals. Sie versuchte es nicht ein drittes Mal, sondern hängte das Studium an den Nagel. Ab Frühjahr 77, das heisst ab dem zweiten Semester, arbeitete sie als Kellnerin im Restaurant Silberkugel an der Sihlporte in Zürich, und zwar mit einem Arbeitspensum von mindestens sechzig Prozent. Das lässt darauf schliessen, dass sie ab diesem Zeitpunkt ihr Studium als Werkstudentin selbst finanzieren musste, und ich weiss mittlerweile auch warum. Es ist wohl kein Zufall, dass ihr Vater im April 1977 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, und zwar wegen Veruntreuung von Firmengeldern. Er arbeitete als Buchhalter in einem Metallbaubetrieb und schaffte es, während zwei Jahren fast hunderttausend Franken auf sein eigenes Konto umzubuchen. Und wohin trug Vater Fuchs das gestohlene Geld, meine Herren? Ins Casino Konstanz.“
Kyburz nickte anerkennend. Sie fuhr fort. „Kurz bevor er aus der Gefangenschaft entlassen worden wäre, erhängte sich Fuchs in seiner Zelle. In seinem Abschiedsbrief stand, er wolle seiner Familie die Schmach ersparen, mit einem Spieler und Betrüger zusammenleben zu müssen.“
Kyburz legte die Stirn in Falten. „Wir können daraus schliessen, dass Elena Fuchs aus familiären Gründen keine grosse Begeisterung für die Glücksspielbranche an den Tag legte. Trotzdem liess sie sich im Grand Casino Aarau anstellen – warum?“
„Vielleicht um Abbitte zu leisten und gleichzeitig Rache zu nehmen?“ vermutete Angela. „Als Personalchefin war sie auch für die Workshops für Spielsüchtige zuständig, die sie dem Vernehmen nach mit viel Herzblut betreute. Welche Form die Rache nahm, haben wir gesehen.“
„Könnte sein“, attestierte Kyburz, „aber dann hätte sie schon lange zuschlagen können.“
Jetzt war Peter Pfister dran. „Wir glauben, dass Truninger einige Tage vor seiner Ermordung die Katze von Elena Fuchs zu Tode fuhr. Es gab Spuren von Tierblut und Fell an seinem Wagen. In der Parkgarage sah Fuchs diese Spuren an Truningers Wagen, untersuchte sie und kam zum Schluss, dass der Direktor der Mörder ihrer geliebten Katze war. Das war der Auslöser dafür, dass sie zuschlug. Wir haben übrigens einen Durchsuchungsbefehl für ihre Wohnung und können nachschauen, ob die Katze noch lebt – in diesem Fall wäre unsere Theorie nichts als heisse Luft.“
Nick räusperte sich. „Auch ohne die Geschichte mit dem Kater kann Elena Fuchs die Mörderin sein. Als Motiv hatte sie den Rachefeldzug für ihren Vater, und die ideale Gelegenheit bot sich, als Sybille Senn mit dem Messer in der Tasche auftauchte. Sie nimmt ihr das Messer ab, wischt die Fingerabdrücke weg und legt es in ihre Schublade, wo es für die nächsten Stunden bleibt. Sie erzählt Truninger von der Waffe, aber der ist überhaupt nicht beeindruckt und lacht Fuchs wegen ihrer sozialen Ader aus. Auf ihren Vorschlag, für Sybille wieder eine Stelle zu finden, geht er gar nicht ein. Sie geht zurück in ihr Büro und wartet, bis ausser ihr und Truninger niemand mehr da ist. Sie nimmt das Messer und ein paar Akten, geht direkt zu ihm ins Büro und bittet ihn von der Türe her, sich die Unterlagen anzuschauen. Er steht auf, mit dem Rücken zu ihr, sie sticht präzise und gezielt zu – durch ihre Kenntnisse der menschlichen Anatomie weiss sie genau, wo und wie tief das Messer
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