Pelagia und der rote Hahn
seines Verdienstes hätte er ihm abgetreten, gerne sogar, wenn er nur immer hübsch dicht waberte und wallte, der Gute.
Heuer allerdings wäre es eine Sünde gewesen, sich zu beklagen, denn der Nebel rackerte sich ab, dass es eine wahre Pracht war. Und direkt über dem Fluss war er am dichtesten. Das Zwischendeck, wo die Kabinen sind, hatte er vollkommen eingemummt, und das Oberdeck mit den Rettungsbooten, wo die Seesack – und Beutelpassagiere an der Reling entlang hockten, packte er abwechselnd immer ein und wieder aus, ein und wieder aus. Genau wie im Märchen: Eben waren da noch Menschen – plötzlich sind sie alle weg, und nur noch eine milchige Brühe ist übrig. Das Einzige, was noch aus dem Nebel rausguckte, waren die Kommandobrücke und der schwarze Schornstein. Dem Kapitän kam es da oben bestimmt so vor, als sei er nicht ein Kapitän, sondern Gott Zebaoth, und er fahre nicht mit seiner »Stör« auf dem Fluss, sondern schwebe bloß so auf Wolken dahin.
Alle Boote der Flussschifffahrtsgesellschaft »Nord« hießen übrigens nach irgendwelchen Fischen, das war so eine Schrulle des Reeders. Vom Flagschiff an, der »Hausen« mit ihren drei Decks (zehn Rubel die Kabine erster Klasse), bis zum allerletzten keuchenden Schleppkahn, der »Gründling« oder »Ukelei« hieß oder so ähnlich.
Die »Stör« war nicht besonders groß, aber sie war ein solides Dampferchen, das seinen Mann ernährte. Sie verkehrte zwischen Moskau und Zarizyn. Ihre Passagiere fuhren aber meistens noch viel weiter, ins Heilige Land oder gleich nach Amerika. Viele reisten zum Vorzugstarif des Palästinavereins. Pfannkuchen unternahm niemals Seereisen, weil es nichts einbrachte, aber er kannte sich genauestens aus.
Mit einem Billett der Schifffahrtsgesellschaft »Nord« reiste man folgendermaßen: zunächst von Moskau auf der Oka bis Nischni Nowgorod, dann auf dem Fluss bis Zarizyn; anschließend mit dem Zug bis Taganrog, und von da aus wieder per Schiff, jetzt allerdings auf einem Hochseedampfer, wohin man eben wollte, je nach Bedarf. Die Reise ins Heilige Land, dritter Klasse, kostete alles in allem nur 46 Rubel 50 Kopeken. Nach Amerika war’s natürlich teurer.
Pfannkuchen hatte bis jetzt noch niemanden angezapft, seine Hände steckten brav in den Hosentaschen, nur seine Augen und Ohren, die waren die ganze Zeit rührig – und die Beine, versteht sich. Kaum dass sich der Nebel ein wenig verdichtete, ging es wisch, wisch auf leisen Sohlen von einem zum anderen und hübsch ausgespickt, was das so alles für Leute waren und ob sie auch gut auf ihre Wertsachen Acht gaben.
So macht man das nämlich: als Erstes ganz in Ruhe alles ausbaldowern und dann, kurz bevor der Dampfer wieder anlegt, fein säuberlich reinen Tisch machen. Aber vor allem muss man einen guten Riecher für die Raben haben, denn von denen treiben sich bestimmt einige hier rum, die haben ja genauso ungeduldig auf die Saison gewartet. Ziemliche Grobiane, unter uns gesagt, ganz und gar nicht nach Pfannkuchens Geschmack. Davon abgesehen haben die Raben auf dem Dampfer eigentlich gar nichts zu tun, sie sind nur an Bord, um sich ihre »Gänse« auszugucken; gerupft werden sie später an Land.
Dagegen ist ja im Prinzip auch nichts einzuwenden, das würde uns nicht weiter stören. Das Dumme ist bloß, dass die Raben nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen herumlaufen und man sie nicht so einfach erkennen kann. Wenn man da nicht aufpasst, kann man ganz schön auf die Nase fallen. Wassja Rybinski, zum Beispiel, ein durchaus erfahrener Rasin, hat mal einen Kommis um sein goldenes Chronometer erleichtert, aber dann war der Kommis gar kein Kommis, sondern einer von den Raben, von denen aus Kasan, und die haben sich dann den Rybinski geschnappt und ihm natürlich die Platte eingedetscht, obwohl der Wassja doch gar nichts dafür konnte! Das ist eben so Sitte bei den Raben, sie können es partout nicht verknusen, wenn man sie anzapft, und solange die Zeche nicht bezahlt ist, brauchst du dich bei denen gar nicht mehr blicken zu lassen.
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Den Anfang machte Pfannkuchen mit den Passagieren auf dem Oberdeck. Das waren zwar größtenteils arme Schlucker, aber erstens macht Kleinvieh auch Mist, und zweitens war das nun mal so seine Art – er hob sich das Beste immer bis zum Schluss auf. Beim Essen machte er es genauso. Wenn es, sagen wir mal, Buchweizengrütze mit Grieben gab, fischte er mit dem Löffel erst mal die Grütze heraus und schob die Grieben für später fein säuberlich
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