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Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit

Titel: Pendergast 10 - Fever - Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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indem du dir nimmst, was er schätzt, und sinne darauf, ihn zu einer Zeit und auf dem Terrain deiner eigenen Wahl zu schlagen.
    Nichts hätte seine Lage besser beschreiben können.

76
    Das Gespenst, das dort im Türrahmen erschien, ließ Hayward vor Schreck erstarren. Der Mann war mindestens einen Meter neunzig groß, abgemagert, seine Wangen waren eingesunken, die dunklen Augen groß und wässrig unter buschigen Augenbrauen, Kinn und Hals stachelig und schlecht rasiert. Das lange, schlohweiße Haar war nach hinten gekämmt, ringelte sich im Nacken und reichte bis zu den Schultern. Er trug eine anthrazitfarbene Brooks-Brothers-Anzugjacke über einem Krankenhaushemd und hielt in der einen Hand eine kurze Peitsche. Mit der anderen rollte er einen Infusionsständer, der ihm zugleich als Stütze diente.
    Es kam Hayward vor, als wäre er förmlich aus dem Nichts aufgetaucht, so leise und verstohlen hatte er sich genähert. Seine Augen – so blutunterlaufen, dass sie fast violett wirkten – schweiften nicht unruhig im Raum herum, wie man es von einem Geistesgestörten erwartet hätte. Vielmehr bewegten sie sich ganz langsam von einer Person zur nächsten und sahen dabei alle Anwesenden an – beinahe durch sie hindurch. Als sein Blick auf Hayward fiel, zuckte er sichtbar zusammen und schloss die Augen.
    »Nein, nein, nein«, murmelte er; seine Stimme klang dabei so leise wie der Wind.
    Brodie wandte sich ab, holte einen Laborkittel und legte ihn über Larrys mit Schlamm verschmiertes Hemd. »Keine hellen Farben«, flüsterte sie Hayward zu. »Bewegen Sie sich langsam.«
    Schließlich schlug Slade wieder die Augen auf. Die Gesichtszüge wirkten jetzt nicht mehr ganz so schmerzverzerrt. Er ließ den Ständer los und hob langsam die große, enorm stark geäderte Hand, eine Geste von geradezu biblischer Würde. Die Hand öffnete sich, die langen Finger zitterten leicht, der Zeigefinger deutete auf Pendergast. Die riesigen dunklen Augen ruhten auf dem FBI -Agenten. »Sie sind also der Mann, der herausfinden will, wer seine Frau umgebracht hat.« Doch obwohl die Stimme dünn wie Reispapier klang, strahlte sie auch Arroganz und ein überhöhtes Selbstbewusstsein aus.
    Pendergast schwieg. Er war offenbar benommen, von seinem zerrissenen Anzug tropfte nach wie vor Schlamm, das helle Haar war verschmiert und zerzaust.
    Langsam ließ Slade seinen Arm nach unten fallen. »
Ich
habe Ihre Frau getötet.«
    Pendergast hob seine 45er. »Erzählen Sie.«
    »Nein, warten Sie –«, begann June.
    »Ruhe«, sagte Pendergast mit leicht drohendem Unterton.
    »Ganz recht«, hauchte Slade, »
Ruhe.
Ich habe angeordnet, sie zu töten. Helen – Esterhazy – Pendergast.«
    »Charles, der Mann hat eine Waffe«, sagte June leise, flehentlich. »Er wird dich umbringen.«
    »Papperlapapp.« Er hob einen Finger und drehte ihn. »Wir haben alle jemanden verloren. Er hat eine Frau verloren. Ich habe einen Sohn verloren. So ist das nun mal im Leben.« Dann wiederholte er, mit jäher Intensität, aber mit der gleichen schwachen Stimme. »Ich habe einen Sohn verloren.«
    June Brodie wandte sich zu Pendergast um und sagte: »Sie dürfen ihn nicht dazu bringen, dass er über seinen Sohn spricht. Das würde einen Rückfall auslösen – und wir haben so große Fortschritte gemacht!« Ein Schluchzer, sofort unterdrückt, entrang sich ihrer Kehle.
    »Ich musste sie töten lassen. Sie war dabei, uns aufzudecken. Furchtbar gefährlich … für alle von uns …« Plötzlich richteten sich Slades Augen auf nichts, weiteten sich wie in Todesangst, starrten auf eine leere Wand. »Warum sind Sie hier?«, murmelte er vor sich hin. »Das ist jetzt nicht die richtige Zeit dafür!« Langsam hob er die Peitsche über den Kopf und schlug sich damit fest auf den Rücken, einmal, zweimal, dreimal, wobei jeder Hieb dazu führte, dass er vorwärts taumelte.
    Der Hieb hatte ihn offenbar jäh in die Wirklichkeit zurückgeholt. Er reckte sich und richtete den Blick geradeaus. Es wurde sehr still im Raum.
    »Sehen Sie?«, sagte Brodie zu Pendergast. »Sie dürfen ihn, um Gottes willen, nicht provozieren. Er könnte sich sonst noch weh tun.«
    »Provozieren? Ich habe vor, weitaus mehr als das zu tun.«
    Als sie Pendergasts drohenden Tonfall hörte, lief es Hayward kalt den Rücken herunter. Sie hatte das Gefühl, in einer Falle zu sitzen, hilflos, verletzlich zu sein, wie sie hier auf dem OP -Tisch lag. Sie packte die Infusionsschläuche, die auf ihrem Arm festgeklebt

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