Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens
damit er für einen Test lernen konnte. Sie hatte es vergessen, mit der Folge, dass er nur eine Vier bekam.
Nr. 393 war für einen verlorenen Schlüssel … 418 dafür, dass sie beim Waschen sein Lieblings-T-Shirt verfärbt hatte … 449 für die Beule, die sie in sein Auto gefahren hatte, als sie es sich einmal ausgeliehen hatte.
Im Rahmen einer kleinen Zeremonie hatte Lisa Kästchen Nr. 490 abgestrichen. Sie hatte das Kreuz mit einem Goldstift gemacht, dann die Tabelle von Brent unterzeichnen lassen, sie noch eine Weile nachdenklich angeschaut und sie dann in ihre Andenkenschachtel gelegt.
„Das wär’s dann wohl“, sagte Lisa. „Jetzt kann ich mir keine Fehler und Pannen mehr erlauben!“
Brent lachte nur. „Stimmt genau!“
Nummer 491 war auch eine von Lisas Unachtsamkeiten, aber der Schmerz darüber sollte ihr ganzes Leben lang anhalten. Brent hatte die Vorhersagen seiner Musiklehrer bestätigt. Es gab nur wenige Musiker, die so gut Oboe spielen konnten wie er, und deshalb bekam er in seinem letzten Studienjahr an einer der besten Musikhochschulen des Landes die Chance seines Lebens – nämlich beim großen Orchester von New York City vorzuspielen.
Das Vorspiel sollte irgendwann im Laufe der folgenden zwei Wochen stattfinden und stellte für Brent die Erfüllung aller seiner Träume dar. Doch er bekam nie die Chance. Brent war nämlich nicht zu Hause, als der Anruf wegen des Vorspieltermins kam.
Lisa war allein zu Hause, allerdings in Eile und schon auf dem Weg zur Haustür, weil sie an diesem Morgen spät dran war und sich beeilen musste, um noch pünktlich zur Arbeit zu kommen.
„14:30 Uhr am Zehnten“, hatte die Sekretärin am Telefon gesagt. Lisa hatte keinen Stift zur Hand, aber sie sagte sich, das würde sie sich auch so merken können.
„Alles klar, vielen Dank“, sagte sie und war sich ganz sicher, es nicht zu vergessen. Sie irrte sich. Eine Woche später beim Abendessen erinnerte sie sich wieder und erkannte, was sie angerichtet hatte.
„Also Brent, wann ist denn nun dein Vorspiel?“, fragte die Mutter.
„Das weiß ich noch nicht. Sie haben gesagt, sie würden anrufen.“
Bei diesen Worten erstarrte Lisa förmlich.
„Oh neeeiiin!“, platzte sie heraus. „Welches Datum haben wir heute? Schnell!“
„Heute ist der Zwölfte“, antwortete ihr Vater. „Wieso?“
Ein furchtbarer Schmerz schoss Lisa durchs Herz. Sie senkte den Kopf und brach in Tränen aus.
„Was ist denn los, Lisa?“, fragte ihre Mutter.
Schluchzend erklärte Lisa, was passiert war. „Es war vor zwei Tagen … das Vorspielen … 14:30 Uhr … der Anruf … kam letzte Woche.“
Brent lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und glaubte Lisa kein Wort. „Ist das wieder einer von deinen Scherzen, Schwesterherz?“, fragte er, obwohl er merkte, dass ihr Kummer echt war.
Sie schüttelte den Kopf, immer noch unfähig, ihm ins Gesicht zu sehen.
„Dann habe ich es also wirklich verpasst?“ Sie nickte.
Brent stürmte wortlos aus der Küche. Er kam auch für den Rest des Abends nicht aus seinem Zimmer heraus. Lisa unternahm einen Anlauf, an seine Zimmertür zu klopfen, aber sie schaffte es einfach nicht, ihm gegenüberzutreten. So ging sie auf ihr Zimmer, wo sie nur noch weinen konnte.
Plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie hatte Brents Leben ruiniert, und das würde er ihr niemals vergeben können. Sie hatte ihrer Familie gegenüber versagt, und ihr blieb nichts anderes übrig, als einfach zu verschwinden. Lisa packte noch in derselben Nacht das Notwendigste in ihren Kombi und hinterließ ihrer Familie eine Nachricht, dass sie schon zurechtkommen würde. Sie fing auch noch einen Brief an Brent an, aber das, was sie schrieb, klang in ihren eigenen Ohren nur hohl. Worte konnten ohnehin nichts mehr ändern, dachte sie bei sich.
Zwei Tage später hatte sie einen Job als Kellnerin in Boston und fand auch schnell eine Wohnung ganz in der Nähe des Restaurants. Ihre Eltern versuchten häufig, mit ihr Kontakt aufzunehmen, aber Lisa ignorierte ihre Briefe.
„Es ist zu spät“, schrieb sie ihnen ein einziges Mal. „Ich habe Brents Leben zerstört. Ich komme nicht zurück.“
Lisa glaubte nicht, ihr Zuhause jemals wiederzusehen. Eines Tages entdeckte sie jedoch in dem Restaurant, in dem sie arbeitete, ein bekanntes Gesicht: „Lisa!“, sagte Mrs Nelson, als sie von ihrem Teller aufblickte. „Das ist ja eine Überraschung.“
Die Frau war eine Freundin von Lisas Familie. „Es hat mir so leidgetan, als
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