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Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens

Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens

Titel: Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerth Medien GmbH
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zusammen unser Team angefeuert.
    Ich habe mittags immer zusammen mit meinen Freunden gegessen. Oft war es schwierig zu entscheiden, neben wem ich sitzen sollte. Sollte ich bei meinen Klassenkameraden bleiben, mich zu den Typen von der Jugendgruppe setzen oder zu den Teamgefährten aus der Tennis- oder Fußballmannschaft? Die Entscheidung war nie leicht. Keniche aß immer in einer Ecke der Cafeteria. Er war immer allein, normalerweise hatte er die Nase in ein Buch gesteckt oder er befasste sich mit seinem Essen. Ich habe mich nie zu ihm gesetzt oder mit ihm zusammen gegessen.
    Meine Freunde und ich hingen in Freistunden zusammen herum. Wir trafen uns, um Witze zu reißen und zu tratschen. So kurz solche Unterbrechungen auch sein mochten, wir freuten uns immer darauf. Ich habe nie angehalten, um kurz mit Keniche zu reden, aber ich erinnere mich, dass ich mit Freunden zusammengestanden habe, die kicherten, wenn er vorbeiging, weil seine Klamotten nicht cool waren. Ich habe ihn dann nicht verteidigt, sondern einfach nur den Mund gehalten. Ich habe nie mit Keniche zusammen herumgehangen oder ihn ermutigt, sich einer Gruppe oder Clique anzuschließen.
    Ich hatte keine Ahnung, wo er wohnte. Ich wusste nicht, wie er mit Nachnamen hieß. Ich wusste nicht, was er gerne aß oder ob er noch Geschwister hatte. Ich wusste gar nichts über ihn. Aber er schenkte mir einen Samurai dafür, dass ich sein „bester Freund“ war.
    Ich habe nichts getan außer immer mal zu lächeln und „Hey, Keniche“ zu sagen, wenn ich ihm begegnete. Mehr habe ich kaum jemals mit ihm gesprochen. Der Gedanke, dass das die beste Freundschaft sein sollte, die er in unserer Schule erlebt hatte, machte mich traurig. Ich verdiente die Samuraifigur nicht, und dennoch zeichnete er mich damit aus als denjenigen, der sie am meisten verdient hatte. Für ihn stand mein Handeln für Ehre, Mitgefühl, Mut, Stärke und Weisheit.
    Ich habe viele sauer verdiente Trophäen, Medaillen und Urkunden, die jetzt irgendwo in meiner Abstellkammer auf dem Dachboden oder im Keller verstauben, aber meine Samurai-Figur steht immer auf meinem Schreibtisch. Sie erinnert mich daran, dass Freundschaft und Fürsorge echte und dauerhafte Auszeichnungen im Leben sind.
    Keniche dankte mir für eine Freundschaft, von der ich nicht einmal wusste, dass sie bestand. Ich sollte Keniche für eine Lektion danken, von der er gar nicht weiß, dass er sie erteilt hat.
    Jamie Morrison
    Als ich ein verlorener Sohn war
    Mit siebzehn Jahren saß ich in einer Gefängniszelle und fragte mich, wie in meinem Leben bloß alles dermaßen schief hatte laufen können. Damals fühlte ich mich ziemlich so wie der verlorene Sohn aus der Bibel.
    Es war zwei Tage nach Thanksgiving. Die Wolken hingen tief am regnerischen Himmel an jenem kalten Tag im Jahre 1983. Meine Mutter und mein Stiefvater Jim waren zusammen mit meinem jüngerer Bruder und meiner kleinen Schwester einkaufen gegangen. Während sie unterwegs waren, klingelte unser Telefon und ich nahm ab.
    Nachdem der Anrufer nach meiner Mutter gefragt hatte, sagte er: „Sag ihr, dass Benny sich erhängt hat.“ Ich fühlte mich, als hätte mir jemand ein Messer in den Bauch gestoßen. Benny war nämlich mein Vater.
    „Ist er tot?“, fragte ich mit angehaltenem Atem und hoffte, es wäre nicht wahr. Ich konnte nicht weinen, aber der Schmerz hinterließ eine große Leere in mir. Als die Antwort „Ja“ lautete, setzte ich mich hin, um erst einmal aufzunehmen, was passiert war.
    Eine Flut von Erinnerungen überrollte mich. An einem Wochenende war meine Mutter mit der ganzen Wut meines Vaters konfrontiert gewesen – er hatte ein Gewehr auf sie gerichtet. Irgendwann hatte sie ihn dann dazu überreden können, die Waffe wegzulegen, und nachdem er zur Arbeit gegangen war, hatte sie unsere Taschen gepackt und war mit uns zusammen geflüchtet. Mein Bruder war sieben und ich erst vier, aber ich kann mich lebhaft daran erinnern, wie wir ein Hotelzimmer nahmen, in dem wir uns eine Woche lang versteckt hielten. Ich hatte damals an jenem Tag mein Cowboy-Kostüm an und meine Mutter weinte.
    Vielleicht war das der Grund, weshalb ich in all den Jahren ständig diese Wut im Bauch hatte. Ich war wütend auf meinen Vater, weil er versucht hatte, meiner Mutter wehzutun. Später war ich wütend, weil er gestorben war, bevor ich ihn kennenlernen konnte.
    Nachdem mein Vater gestorben war, lief für mich alles irgendwie schief. Ich konnte mich nicht konzentrieren und deshalb auch

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