Perdido - Im Bann des Vampirjägers
tiefen Zug und setzte sich wieder. »Vielen Dank, dass Sie mir von Marcellos Schicksal berichtet haben.« Er wischte sich den Schaum vom Schnurrbart. »Aber ich habe noch nicht ganz verstanden, inwiefern Sie meine Hilfe brauchen.«
Otis lächelte. »Ich möchte Marcellos Karte benutzen, um Mephisto den Garaus zu machen«, erwiderte er schlicht. »Aber auf dem Weg durch das tückische Gebirge benötige ich erstens die Unterstützung eines erfahrenen Kartenlesers und zweitens kann sich wohl niemand so gut in Marcello einfühlen wie Sie. Sie wissen bestimmt, dass er auf seinen Skizzen seine ganz eigenen Symbole verwendet hat. Sie sind der einzige Mensch, der diese Symbole deuten kann. Ich möchte, dass Sie die Karte für mich entschlüsseln und mich zum Schloss des grausamen Grafen führen.«
»Das hört sich sehr verlockend an«, entgegnete Walter. »Unter anderen Umständen würde ich sofort zusagen, Sie auf Ihrer abenteuerlichen Reise nach Rumänien zu begleiten, aber ich muss mich um Hugo kümmern.«
Herkules räusperte sich vernehmlich.
»Und um Herkules natürlich auch«, ergänzte Walter. »Ich muss mich um Hugo und Herkules kümmern.«
»Schlafen Sie eine Nacht drüber«, schlug Otis vor. »Ich lasse Ihnen Marcellos Karte mal da. Wenn Sie sich entschieden haben, können Sie mich morgen im Gasthof Zum Seebären aufsuchen, wo ich abgestiegen bin.«
Otis griff in seinen Stiefelschaft und zog etwas heraus. Es war ein mehrfach gefaltetes Blatt Papier, das er Walter überreichte.
»Diese Abschrift können Sie bis morgen behalten. Das Original habe ich an einem sicheren Ort verwahrt, der nur mir bekannt ist. Ich hoffe sehr, dass Sie es sich anders überlegen und mich doch begleiten. Noch ist es möglich, Marcello zu befreien, aber die Zeit drängt.«
»Wie jetzt?«, fragte Hugo und stützte den Kopf in die Hand. »Ich dachte, Marcello ist tot?«
»Möglicherweise nicht.« Walter fuhr sich mit der Hand durch den struppigen weißen Schopf. »Bei meiner letzten Zusammenkunft mit Marcello hat er mit mir über die sogenannten Mezzaghule gesprochen, aber ich habe auch das als Fantasterei abgetan.«
»Was ist ein Mezzaghul?«
»Marcello vertrat die Theorie, dass Mephistos Opfer – wie auch die Opfer seiner Helfershelfer – ein Jahr lang als sogenannte Mezzaghule im Schloss des Grafen verbringen«, erklärte Walter. »Ein Mezzaghul verhält sich auf den ersten Blick wie ein ganz gewöhnlicher Mensch, aber in Wirklichkeit befindet er sich in einer Art Übergangsstadium. Seine Seele weilt weder in seinem Körper noch ist sie bereits völlig erloschen. Wenn sich der Todestag des Betreffenden dann zum ersten Mal jährt, stirbt auch die Seele, allerdings meinte Marcello …« Onkel Walter erzählte nicht weiter.
Hugo legte beide Hände auf den Tisch und beugte sich vor. »Was hat Marcello gemeint?«
»Dass alle Mezzaghule wieder erlöst sind, wenn jemand Mephisto den Garaus macht«, sprach Walter weiter. »Dann kehren die Seelen in ihre Körper zurück, die Betreffenden können ihr vorigesLeben wieder aufnehmen und erinnern sich nicht einmal an das, was sie durchgemacht haben.«
»Marcello hat seine Karte auf den ersten Februar vierzehnhundertfünfundneunzig datiert«, warf Otis ein.
»Wir Kartografen versehen unsere Karten oft nach der Fertigstellung mit einem Datum«, meinte Walter. »Bestimmt hatte auch Marcello diese Angewohnheit.«
»Ich gehe davon aus, dass er von Mephistos Gefolgsleuten gefasst wurde, als er sich dem Schloss näherte«, sagte Otis. »Ich glaube nicht, dass er nach der Fertigstellung der Karte noch lange zu leben hatte.«
»Dann wäre er heute auf den Tag genau acht Monate lang verschollen«, sagte Walter leise.
»Und wir hätten nur noch vier Monate Zeit, ihn zu befreien!«, rief Hugo aufgeregt.
»Nicht nur deshalb drängt die Zeit.« Otis stand auf und schlang sich das Tuch wieder um den Kopf. »Es hat den Anschein, als wären die reisenden Kaufleute, die Marcellos Tornister gefunden haben, nicht ganz harmlos. Ich habe den begründeten Verdacht, dass sie Abschriften der Karte angefertigt und auf dem Schwarzmarkt verhökert haben, ehe ich ihnen das Original abnehmen konnte. Ich habe nämlich gehört, dass etliche solcher Karten überall in Europa in schummrigen Gassen und Kneipen von Hand zu Hand gehen.«
»Aber warum sollte jemand eine Karte mit der Lage dieses abscheulichen Schlosses besitzen wollen?«, fragte Herkules.
»Nun ja … es heißt, Mephisto nennt ein prächtiges Schwert
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