Perdido - Im Bann des Vampirjägers
Afrika!«
Walter wurde rot. »Ich konnte von Glück sagen, dass ich nach dieser Unternehmung überhaupt wieder Arbeit gefunden habe.«
»Und mit Marcello hast du bestimmt nie mehr zusammengearbeitet«, warf Herkules ein.
»Bloß nicht! Trotzdem … auf dem Rückweg zum Schiff haben wir uns angefreundet. Wahrscheinlich war er insgeheim doch froh, dass ich unseren Weg so penibel aufgezeichnet hatte, während ich wiederum endlich die Muße hatte, die Schönheit des Landes zu würdigen, das ich zuvor lediglich kartografisch festgehalten hatte. Marcello hat mir gezeigt, dass jede Gegend ihren ganz unverwechselbaren Charakter hat.« Walter rümpfte die Nase. »Das soll nicht heißen, dass wir nicht immer noch ein bisschen Konkurrenten waren. Wir vertrieben uns die Zeit damit, einander Rätsel und Geheimschriften zu knacken aufzugeben.«
Das konnte sich Hugo lebhaft vorstellen. »Und nach eurer Heimkehr seid ihr dann in Verbindung geblieben?«
»Marcello wohnte in Mailand. Wenn er mal nach Plymouth kam, hat er mir immer vorher Bescheid gegeben.« Walter trank noch einen großen Schluck Bier. »Aber Marcello war eben Marcello. Er brachte es einfach nicht über sich, mir eine kurze, eindeutige Nachricht zu schreiben, nein, er musste mich immer noch herausfordern. Um mir mitzuteilen, wann er eintraf, benutzte er alle möglichen Symbole und Geheimschriften. Das entwickelte sich zu einem beiderseitigen Spiel, und ich machte es genauso, wenn ich nach Italien fuhr.«
»Das hat bestimmt Spaß gemacht«, meinte Hugo. »Wie ein Geheimbund.«
Walter winkte lachend ab. »Ach, wir haben uns aufgeführt wie Schuljungen. Marcello unterschrieb seine verschlüsselten Botschaften immer mit einem Zeichen, das ausdrücken sollte, dass wir beide ganz und gar gegensätzlich waren. Und jedes Mal, wenn wir uns irgendwo verabredeten, wartete er am höchsten Punkt des betreffenden Gebäudes auf mich – eine Anspielung auf seine Methode, sich in einer fremden Umgebung zu orientieren. Einmal schloss ich aus seiner Botschaft, dass er mich im Hafen von Plymouth anBord eines Schiffes erwartete. Ich betrat das Schiff um die verabredete Uhrzeit und marschierte schnurstracks aufs Achterdeck.«
Hugo nickte. »Weil es das am höchsten gelegene Deck ist.«
»Marcello war nirgends zu sehen. Eine geschlagene Stunde habe ich das ganze Schiff abgesucht, dann ging mir endlich ein Licht auf. Ich kletterte in die Takelage und tatsächlich – er hockte mit einer Flasche Bier und zwei Krügen im Mastkorb.«
Hugo fand es lustig, sich seinen Onkel als jungen Mann vorzustellen, der so ernsthaft auf die Schatzsuche seines Freundes einging.
»Konntest du denn seine Botschaften immer knacken?«, erkundigte sich Herkules.
»Klar!« Walters Augen leuchteten auf, dann sank sein Schnurrbart herab. »Leider verschwand Marcellos Familie eines Tages spurlos … das war ungefähr ein Jahr, bevor ich dich zu mir geholt habe, Hugo. Marcello war davon überzeugt, dass Mephistos Helfershelfer seine Angehörigen auf dem Gewissen hatten, und konnte nur noch an Rache denken. Ich glaube, der Kummer über seinen Verlust hat ihm den Verstand geraubt. Ich meinerseits hatte so meine Zweifel an der Mephisto-Sage und habe mich immer darüber lustig gemacht. Bis Otis heute Abend hier aufgetaucht ist. Sein unerwarteter Besuch und die Karte haben mich nachdenklich gemacht. Mein alter Freund Marcello mag an einer fixen Idee gelitten haben, aber er hätte niemals ohne triftigen Grund eine Karte in Umlauf gebracht, die den Finder nach Dämonien lockt. Jetzt schäme ich mich, dass ich ihm nicht geglaubt habe, wo er vielleicht die ganze Zeit auf der richtigen Fährte war.« Walter senkte den Kopf. »Marcello war ein lieber Kerl und ein treuer Freund. Ich wünschte, ich hätte ihn mehr unterstützt, als er mich brauchte. Und jetzt ist es anscheinend zu spät dazu.«
»Wir haben doch noch vier Monate Zeit!«, widersprach Herkules. »Lasst uns nach Dämonien reisen und Marcello befreien. Das wird bestimmt aufregend!«
» Aufregend ist nicht das richtige Wort«, entgegnete Hugo.
»Was ist denn das richtige Wort?«
»Wie wär’s mit ›extrem gefährlich‹?«, sagte Walter ernst. »Wenn uns nicht ein Trupp gewalttätiger Kaufleute totschlägt, wir nicht von Bären gefressen oder von Wölfen zerfleischt werden, bringt uns höchstwahrscheinlich Mephisto persönlich um, denn wenn die Legenden recht haben, ist er das brutalste, grausamste Geschöpf, das je auf Erden sein Unwesen getrieben
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