Perlensamt
dich tun.«
Sie dreht sich um und ruft nach Bob. Erst meine Eltern erschießen und dann mich … Es war David, der auf Miriam Perlensamt geschossen hat, nicht sein Vater. Er hatte »seine Eltern« hinrichten wollen. Das war es, was Edwige kein Unglück nannte. Mona steht in der Gartentür.
»Was ist mit dir, kommst du? Deine Eltern warten auf uns. Was hast du, Martini?«
»David … Mir ist gerade klar geworden …«
»Komm jetzt. Vergiß ihn endlich. Er ist ein Psychopath. Ich freue mich so auf den Abend in der Stadt.«
Der Wagen gleitet im zähen Verkehr eines New Yorker Nachmittags über die Brooklyn Bridge, die Park Row und den unteren Broadway. Wall Street. City Hall. Trinity Church. Während Rosie Mona das Viertel erklärt, kneife ich die Lider zusammen und versuche, alles mit fremden Augen zu sehen. Rosie nennt Namen, Daten, Zahlen, wie bei einer Stadtrundfahrt. Sie beantwortet jede Frage. Sie tut es auf Deutsch. Ich habe Rosie Jahrzehnte nicht mehr Deutsch sprechen hören. Es klingt etwas holprig. Sie ist freundlich zu Mona. Entgegenkommend. Nicht zu mir.
»Ich habe seit Jahren meine Praxis Upper East. Dort ist es weiß und elegant. Aber diese Gegend hier ist wirklich besonders. Obwohl sie sich so verändert hat durch die Skyscraper, die immer höher werden, ist sie im Kern geblieben, was sie war. Sie ist der Puls von Gotham City.«
»Gotham City?«
»Manhattan. Nichts wird daran etwas ändern.«
Mona sieht mich an. Vielleicht wundert sie sich über Rosies Tonfall, aus dem so etwas wie Trotz herauszuhören ist.
»Nichts wird dieser Stadt je etwas anhaben können.«
Bilde ich mir das ein, daß ihre Stimme vibriert?
Rosie sagt dem Fahrer, daß er einen anderen Weg einschlagen soll. Wir verlassen die engen Straßen mit den kleinen holländischen Häusern und fahren in Richtung Fluß.
»Die ersten Emigranten fingen in dieser Gegend an. Handel. Mit allem. Bodensatz. Es ist das Viertel der Wirtschaftsleute. Auch ich habe hier angefangen. Ich überlege seit längerem, ob ich wieder hierher zurückkehren soll. Eine neue Klientel ist herangewachsen, die hier unten angesiedelt ist. Ich sollte mich bald umschauen. Am besten morgen schon.«
Sie spricht nicht mehr zu Mona. Sie spricht zu sich. Als sei sie allein auf der Welt.
»Wenn man sich entschieden hat, sollte man Dinge nicht aufschieben. Es ist wichtig, sich eine klare Richtung zu geben, sonst erreicht man nichts.«
»Wer ist Ihre Klientel?«
»Als ich anfing, betreute ich einen eher privaten Kundenstamm. Heute sind es in erster Linie Geschäftsleute. Und immer mehr Damen und Herren aus der Politik.«
»Sie sind Ärztin?«
Mona, wenn du wüßtest! Ich warte gespannt auf Rosies Antwort. Noch nie habe ich sie sagen hören, was sie tut.
»Ich coache. Eine moderne Art von Lebens- und Berufsberatung, verstehen Sie? Ich stelle eine Diagnose und entwickle im Anschluß daran einen Optimierungsplan. Schlicht gesagt: Ich zeige den Leuten, was in ihnen steckt und wie sie das Beste aus sich herausholen können – zum richtigen Zeitpunkt und mit dem angemessenen Einsatz von Energie. Ein Rechenexempel.«
Mona strahlt. »Aha, dann haben Sie wohl Ökonomie studiert. Leute aus der Politik? Wie interessant. Sie dürfen natürlich keine Namen nennen.«
»Natürlich nicht.«
Mona reckt ihren Hals aus dem Auto. Als sie den Kopf wieder einzieht, ist ihr anzumerken, wie beeindruckt sie ist.
»Ich meine, das alles schon einmal gesehen zu haben, obwohl ich noch nie hier gewesen bin.«
»Wahrscheinlich kennen Sie es aus Filmen. In Deutschland kennt man New York immer aus Filmen.«
Erstaunlich. Woher weiß sie das nun wieder? Wenn ich nicht irre, liegt ihr letzter Aufenthalt in Deutschland mehr als vierzig Jahre zurück.
»Faszinierend. Diese Betriebsamkeit. Die engen vollen Strassen. Dagegen ist Berlin ein verschlafenes Nest.«
»Es ist eine halbe Stunde nach Börsenschluß. Tagsüber ist es hier so still, daß man einen Cent fallen hört.«
»Es ist bestimmt eine gute Entscheidung, hier eine neue Praxis zu eröffnen, Mrs. Saunders. Dann brauchen Ihre Klienten in Zukunft nur über die Straße zu gehen, um Sie zu konsultieren.«
Mona hat keinen blassen Schimmer, worum es Rosie geht. Sie weiß nicht, wie ernst es meiner Mutter ist. Als ich Rosie ansehe, zieht ein Lächeln über ihr Gesicht. Zu sanft für ihre Gedanken.
»In Zukunft … ja, ja die Zukunft. Eine gute Idee. Das steht in den Sternen.«
EPILOG
Ich sehe Mona vor mir, die Skyline von Manhattan im
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