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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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nicht einmal klar, ob sie für die irdischen Verhältnisse zutrifft.
    Wir Menschen neigen dazu, uns als Krone der Schöpfung und gegenüber dem Rest der Natur als etwas Besonderes zu fühlen. Das soll natürlich unser Selbstwertgefühl steigern. Tiere – so heißt es – tun das, was ihnen ihre Instinkte und Gefühle vorschreiben, d. h. sie verhalten sich »ohne Sinn und Verstand«. Natürlich können viele Tiere lernen, wenngleich mühsam per Dressur, und manchmal sind sie motorisch sehr geschickt (z. B. die Webervögel oder die Bienen), zuweilen scheinen sie auch ziemlich intelligent zu sein (z. B. Rabenvögel, Pudel oder Affen). Aber zwei Dinge fehlen ihnen angeblich vollkommen, nämlich Verstand und Vernunft, und damit Bewusstsein und Einsicht in ihr Handeln, sowie eine grammatikalisch-syntaktische, dem Menschen zukommende Sprache.
    Dieser Auffassung steht erst einmal die Tatsache gegenüber, dass wir Menschen rein zoologisch gesehen Tiere sind und keine Pflanzen, Pilze, Einzeller, Bakterien oder Archaebakterien. Als Tiere sind wir – jeweils zunehmend spezifischer – Wirbeltiere, Säuger, Affen (Primaten), Menschenaffen und schließlich Schimpansenartige. Letzteres ist eine Bezeichnung, die noch ungebräuchlich ist und der uns meist sehr peinlichen Tatsache Rechnung trägt, dass die beiden Schimpansenarten (»gewöhnliche« Schimpansen und Bonobos) genetisch mit den Menschen enger verwandt sind als mit den »nächststehenden« Menschenaffen, den Gorillas. Da es zwei Schimpansenarten gibt, aber nur eine Menschenart, sind wir taxonomisch korrekt ausgedrückt »Schimpansenartige«. Auch stammen wir eindeutig von Tieren ab, die den heutigen Schimpansen sehr ähnlich waren.
    Die Verhaltensforschung der vergangenen rund zwei Jahrzehnte hat überdies gezeigt, dass die Verhaltensleistungen und das geistige Vermögen des Menschen nicht so einzigartig sind, wie man immer gedacht hatte (bis auf den auch hier unglaublich hellsichtigen Charles Darwin und sein Buch »Die Abstammung des Menschen«). Es zeigt sich, dass zumindest manche Tiere, und zwar viele Säugetiere und zumindest einige Vögel (z. B. Rabenvögel und Papageien), Bewusstsein haben, denken können und eine Art Ich-Gefühl besitzen. Auch haben viele von ihnen eine Art Sprache, die meist Lautäußerungen und Gebärden oder Geruchssignale miteinander verbindet. Es bleiben nur zwei Dinge, die nach wie vor den Menschen am deutlichsten hervorheben, nämlich erstens die Fähigkeit, Handlungen mittel- und langfristig zu planen – dies können die nichtmenschlichen Tiere schlecht oder gar nicht – und eben die menschliche, syntaktisch-grammatikalische Sprache.
    Als Regel können wir uns merken, dass die intelligentesten Tiere, z. B. Schimpansen oder Gorillas, den Stand eines ca. dreijährigen Kindes erreichen können, was das Erinnerungs-, Denk-, Handlungsplanungs- und Sprachvermögen betrifft. Diese Tiere können wegen der Besonderheit ihres Kehlkopfs nicht die Laute der menschlichen Sprache hervorbringen. Jedoch können Schimpansen oder Gorillas nach langem Training mithilfe der Gebärdensprache oder des Gebrauchs von Symbolen Zwei- bis Drei-Wort-Sätze ohne Syntax und Grammatik produzieren, wie dies für ein zwei- bis dreijähriges Kind typisch ist. In diesem Alter (meist mit zweieinhalb Jahren) setzt beim Kind die stürmische Entwicklung der syntaktisch-grammatikalischen Sprache ein. Das Vermögen, sich in den anderen hineinzuversetzen, ist allerdings bei diesen Tieren, aber auch bei Elefanten, Walen, Delfinen und wohl vielen anderen Säugern oder Vögeln, entwickelt und entspricht maximal den Fähigkeiten eines vier- bis fünfjährigen Kindes. Wie auch immer man es nimmt, es gibt keinen wirklich fundamentalen, qualitativen Unterschied zwischen Mensch und den anderen Tieren, wenngleich es teilweise deutliche quantitative Unterschiede gibt, eben im Nachdenken, in der Handlungsplanung, der Kooperativität oder in der Sprache (Tomasello, 2002). Das lehrt uns auch der Vergleich des menschlichen Gehirns mit denen der anderen Tiere. Hier gibt es viele Übereinstimmungen – und zwar umso mehr, je mehr wir genetisch mit ihnen verwandt sind – und ganz wenige Besonderheiten.
    Das menschliche Gehirn, wie es in Abbildung 1a und b gezeigt ist, ist ziemlich groß und hat ein Volumen von rund 1300 Kubikzentimetern bzw. ein Gewicht von 1,3 Kilogramm. Allerdings ist es – anders, als man häufig liest – bei weitem nicht das größte Gehirn im Tierreich. Es gibt

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