Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Nieuwenhuys et al., 1991, verändert.)
Die Großhirnrinde gilt als Sitz von allem, was uns Menschen zu Menschen macht. Deshalb galt ihr seit jeher das besondere Interesse der Hirnforscher. Der Cortex im engeren Sinne, der sechsschichtige Neo- oder Isocortex, wird in vier große Bereiche oder »Lappen« eingeteilt, nämlich einen Stirnlappen ( Frontalcortex genannt), einen Scheitellappen ( Parietalcortex ), einen Schläfenlappen ( Temporalcortex ) und einen Hinterhauptslappen ( Okzipitalcortex ) (Abbildung 1a, 2 und 3). Die Großhirnrinde wird klassischerweise in anatomische Felder oder Areale (so genannte Brodmann-Areale, benannt nach dem bedeutenden deutschen Neuroanatomen Korbinian Brodmann) eingeteilt. Funktionell gesehen unterscheiden wir erstens sensorische Felder, die mit der Verarbeitung von Informationen des Sehens (visuelles System), des Hörens (auditorisches System), der Körperempfindungen (somatosensorisches System) und des Gleichgewichts (Vestibularsystem) zu tun haben. Das visuelle System befindet sich überwiegend im Hinterhauptslappen, das Hörsystem am oberen vorderen Rand des Schläfenlappens, das somatosensorische System und das Vestibularsystem am Vorderrand des Scheitellappens. Geschmacksinformationen (gustatorisches System) werden nicht im Neocortex verarbeitet, sondern in einem Rindentyp »älterer Bauart«, den man insulären Cortex nennt und der tief eingesenkt zwischen Stirn-, Schläfen- und Scheitellappen liegt (vgl. Abbildung 4). Der insuläre Cortex ist Verarbeitungsort des Körpergefühls einschließlich der affektiven Schmerzempfindung, der Eingeweidewahrnehmung (»Bauchgefühl«) und der Geschmacksempfindungen. Riechinformationen werden ebenfalls nicht im Neocortex, sondern wie der Geschmack in limbischen Rindenarealen, eben der Riechrinde (olfaktorischer Cortex) verarbeitet.
Abbildung 3: Anatomisch-funktionelle Gliederung der Hirnrinde, von der Mittellinie aus gesehen. Die Zahlen geben die Einteilung in cytoarchitektonische Felder nach K. Brodmann an. Abkürzungen: ACC anteriorer cingulärer Cortex (Gyrus cinguli); CMAc caudales cinguläres motorisches Areal; CMAr rostrales cinguläres motorisches Areal; ITC inferotemporaler Cortex; MC motorischer Cortex; OC occipitaler Cortex; OFC orbitofrontaler Cortex; prae-SMA prae-supplementär-motorisches Areal; PFC präfrontaler Cortex; PPC posteriorer parietaler Cortex; SMA supplementär-motorisches Areal; SSC somatosensorischer Cortex; VMC ventromedialer (präfrontaler) Cortex. (Nach Nieuwenhuys et al., 1991, verändert.)
Abbildung 4: Querschnitte durch das menschliche Gehirn: (A) Querschnitt auf Höhe des Hypothalamus, der Amygdala und des Striato-Pallidum; (B) Querschnitt auf Höhe des Thalamus und des Hippocampus. 1 Neocortex; 2 Ncl. caudatus; 3 Putamen; 4 Globus pallidus; 5 Thalamus; 6 Amygdala; 7 Hippocampus; 8 Hypothalamus; 9 Insulärer Cortex; 10 Claustrum; 11 Fornix (Faserbündel); 12 Mammillarkörper (Teil des Hypothalamus); 13 Infundibulum (Hypophysenstiel); 14 Nucleus subthalamicus; 15 Substantia nigra; 16 Balken (Corpus callosum). (Nach Kahle, 1976, verändert.)
Zum zweiten gibt es motorische Hirnrindenfelder, nämlich das primäre motorische, das prämotorische und das supplementärmotorische Feld, die alle am oberen hinteren Rand des Frontallappens liegen (vgl. Abbildung 2 und 3). Das primäre motorische Feld ist vornehmlich mit der Steuerung einzelner Muskeln und hierüber mit der Kontrolle von Feinbewegungen befasst. Das prämotorische Feld ist an der Planung und Steuerung von Bewegungsabläufen beteiligt, und das supplementärmotorische Feld ist immer aktiv, wenn wir etwas planen und bewusst wollen, und interessanterweise auch dann, wenn wir uns nur vorstellen , wir würden etwas tun. Darüber werden wir in Kapitel 7 noch Genaueres hören.
Alle anderen Hirnrindenfelder bezeichnet man als assoziative Areale, da sie keine primären sensorischen oder motorischen Informationen verarbeiten, sondern solche Informationen miteinander verbinden (»assoziieren«) und in Verbindung mit Gedächtnisinhalten hierdurch komplexere, bedeutungshafte Informationen erzeugen. Der hintere und untere Scheitellappen hat linksseitig mit symbolisch-analytischer Informationsverarbeitung zu tun (Mathematik, Sprache, Schrift und allgemein die Bedeutung von Zeichnungen und Symbolen); der rechtsseitige hintere Scheitellappen ist befasst mit realer und vorgestellter räumlicher Orientierung, mit
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