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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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völlig verkehrt sein. Und immerhin, er war von Menschen angelegt, und Hinweisschilder hatte es hier auch gegeben. Den Blick fest auf den Boden gerichtet, achtete Siggi nur darauf, wo er hinlief. So musste er sich nicht die Spiele des Zwielichts ansehen, und seine Augen konnten ihm keine Dinge vorgaukeln, die es in Wahrheit nicht gab, die einfach nur eine optische Täuschung waren, auf die er reinfiel. Langsam und schleichend kehrte die Furcht zurück; der Knüppel in seiner Hand gab ihm nur scheinbare Sicherheit.
    Sie waren ein Stück weit gegangen, als sie eine Kreuzung erreichten. Ein noch schmalerer Pfad lief parallel zu dem oberen Weg, den sie soeben verlassen hatten.
    »Da ist ein Hinweisschild«, sagte Hagen, und alle drei gingen darauf zu.
    Es war ein altes verwittertes Schild, das kaum noch zu entziffern war. Offenbar gehörten diese Pfade gar nicht mehr zum Netz der offiziellen Wanderwege, sondern in das Projekt, den Wald wieder naturnäher zu gestalten.
    »Was steht drauf?«, fragte Siggi.
    »›Odenhausen 9 Kilometer‹«, begann Gunhild laut zu lesen.
    »›Waldgasthaus Lindenhof 4 Kilometer‹. Also müssen wir weiter nach unten. Dann sind wir bald da.«
    Gunhild hatte wieder an Sicherheit gewonnen. Sie schritt geradeaus. Ihre Zweifel waren verflogen; nun hatte sie wenigstens einen Hinweis, wo es lang ging. Die Jungen folgten ihr nach.
    Ein Blitz drang mit fahlem Leuchten durch das Blätterdach, und der darauf folgende Donner klang wieder ein Stück näher. Gunhild konnte das nicht mehr erschrecken. Sie mochten noch ein wenig nass werden, aber verlaufen würden sie sich nicht. Außerdem, sagte sich Gunhild, hatten sie eine prima Ausrede für ihre Verspätung.
    Die Trümmer der Räder oben am Rastplatz sprachen für sich.
    Der Weg wurde immer schmaler. Das Gebüsch des Unterholzes rückte immer näher an den Wegrand. Es war, als würden sie durch einen enger werdenden Schlauch gehen. Immer öfter sahen sie im fahlen Licht der Dämmerung Brombeerbüsche an den Seiten, die einen undurchdringlichen stacheligen Verhau bildeten.
    Siggi hatte das Gefühl, in eine Falle zu laufen. Er packte seinen Knüppel fester, nicht dass es viel geholfen hätte.
    Ihre Gespräche hatten die drei inzwischen völlig eingestellt, und sie machten einfach nur erschöpft einen Schritt nach dem anderen.
    Es mussten noch mehr als drei Kilometer sein, bis sie ihr Ziel erreichen würden.
    Die Furcht griff wieder mit klammen Fingern nach ihren Herzen.
    Sie kam mit dem Nebel, der nun auch diesen Hohlweg mit seinem grauen Tuch zudeckte. Er kroch ihnen vom Tal her entgegen, ver-dichtete sich, bis sie keine zwanzig Meter weit sehen konnten. Zur Rechten und Linken gab es ohnehin nur das dichte Unterholz des Waldes, die Dornenranken und die hohen Bäume. Vor ihnen und hinter ihnen war nur noch eine graue, wallende Masse.

    Ihre Schritte auf dem halb überwucherten Weg, der Donner und ihr Atem waren die einzigen Geräusche, die sie hörten. Alles war irgendwie unwirklich. Die Welt schien sich zu verändern, die Landschaft schien wieder so zu sein wie zu Zeiten Siegfrieds, des Drachentöters, Hagens und Kriemhilds. Der Wald bekam etwas Sagen-haftes, aber nicht die Leichtigkeit und Lebensfreude eines Feenwal-des; vielmehr wirkte er bedrohlich. Der Nebel war wie der Atem des Lindwurms, und die Bäume sahen im Dunst aus wie Riesen, die mit ihren Ästen, langen Armen gleich, nach ihnen greifen wollten. Das Donnergrollen in der Ferne klang wie das Schnauben des Drachen, und die Blitze, die manchmal noch als fahles Licht durch die grauen Schleier drangen, wirkten wie die Flammenstöße aus seinem feurigen Schlund.
    Nur Siggi fühlte sich nicht wie ein Drachentöter. Er wünschte sich nur, diese Wanderung würde ein Ende finden. Er betete, die Lichter des ›Lindenhofs‹ vor sich zu sehen, in eine warme Stube zu kommen und die Eltern anrufen zu können, die ihn dann abholen und diesen Albtraum beenden würden.
    Hagens rechte Hand steckte in seiner Tasche. Sie hielt krampfhaft den Ring umklammert, den er gefunden hatte. Er schien ihm Kraft und Selbstbewusstsein zu geben. Mit ihm kämpfte Hagen den stummen Kampf gegen die Furcht, die wieder aufgekommen war.
    Wie Siggi umklammerte auch er seinen Knüppel, wenngleich mit der Linken, doch alles half nichts. Die Angst kroch seine Glieder hoch. Dieser Nebel dämpfte alles; und mehrmals ertappte er sich dabei, wie er zusammenzuckte, weil er meinte, vor ihnen wäre jemand, aber dann entpuppte sich diese

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