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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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ihm. Mehr Platz war auf dem Weg nicht. Nebeneinander gehend, streiften sie mit den Armen bereits das Unterholz.
    Groß und bedrohlich ragten die Stämme der Bäume aus dem Ge-büsch hervor, Riesen gleich, die über den Weg wachten.
    Gunhild fühlte sich alles andere als wohl. Sie hatte entschieden.
    Hatte sie sich geirrt, würden sie noch lange durch den Wald stap-fen, und dabei wollte sie nichts als hier raus. Sie würde sich sogar das Fußballspiel im Fernsehen anschauen, wenn sie bloß so schnell wie möglich aus diesem verfluchten Wald herauskämen.
    Der Nebel umgab sie wie eine bewegliche Wand, die sich vor ihnen zurückzog und hinter ihnen hergeschoben wurde. Die Mauer war weich und nachgiebig, aber zugleich undurchdringlich. Die Blitze wurden zu fahlen Lichtreflexen am Himmel, die Dämmerung schritt voran, und das Donnern drang nur noch gedämpft zu ihnen durch. Siggi glaubte in eine Welt aus Watte zu gehen.
    Der Weg war völlig mit Moos und Gräsern überwuchert, die ihre Tritte dämpften, sodass sie kaum ihre eigenen Schritte hörten.
    Ein Zweig knackte laut im Wald …
    Siggi erschrak fürchterlich. Er hob seinen Knüppel, doch er vermochte nicht zu sagen, woher das Geräusch gekommen war. Vielleicht von links. Auch Hagen und Gunhild hatten ihre Stöcke erhoben. Eine leichte Brise bewegte die grauen Schleier, die sich aber kaum öffneten, nur träge wallten. Reglos standen die drei, die Knüppel zur Abwehr erhoben. Verzweifelt starrten sie in das dichte, dornige Gebüsch und den Nebel und konnten nichts erkennen.
    Gunhild wandte sich um, wollte den Weg fortsetzen. Dann erstarrte sie.
    »Da … da vorne ist jemand …«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte ein wenig. »Da!«, rief sie und streckte den Zeigefinger aus.
    Siggis und Hagens Köpfe ruckten herum. Auf Anhieb entdeckten sie nichts, aber dann sahen sie es auch.
    Vielleicht fünfzehn Schritt vor ihnen, an der Grenze ihrer Ge-sichtskreises, stand einer. Das unstete Licht, die Nebelschwaden und die Angst der Kinder ließ die Gestalt grotesk und verzerrt wirken, fast wie einen Zwerg. Sie schien nicht größer als sie zu sein, wirkte aber kompakter und muskulöser. Die Kleidung, soweit man etwas davon erkennen konnte, sah seltsam aus. Sie wirkte altertümlich: ein dunkles Wams, das metallisch blinkte, und eine derbe Hose. Vom Gesicht des Wesens war nichts zu erkennen.
    Dann war die Gestalt verschwunden, lautlos, wie vom Erdboden verschluckt, als wäre sie nie da gewesen.
    Erstarrt standen die Kinder auf dem Pfad, ihre Knüppel wie Schwerter erhoben. Ihr Atem ging flach, der kalte Schweiß stand ihnen auf der Stirn, und das Herz schlug ihnen bis zum Hals. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie in den Nebel, aber es war niemand zu sehen. Keiner wagte, sich zu rühren, und keiner der drei vermochte zu sagen, wie lange sie so dagestanden hatten. Weder Siggi noch Gunhild, ja, nicht einmal Hagen scherte sich noch darum, die Furcht zu verbergen, die sie in Bann geschlagen hatte.
    »Was … was war das?«, entfuhr es Siggi schließlich.
    »Ich …«, begann Gunhild, sie konnte aber nicht weitersprechen; die Worte blieben ihr im Halse stecken.
    »Keine Ahnung«, sagte Hagen. »Aber es sah nicht sehr Vertrauen erweckend aus.« Er hielt den Knüppel nun mit beiden Händen umklammert und starrte wie die beiden anderen mit geweiteten Augen, als könnte er damit den Nebel durchdringen und das Wesen auf die Stelle bannen, wo es erschienen war.
    Im Wald hinter ihnen knackte ein Zweig. Das Geräusch ließ die Kinder herumwirbeln. Hinter ihnen war noch jemand. Oder war es die Gestalt von eben?
    Die Kinder wagten kaum, sich zu bewegen. Sie warteten wie Ka-ninchen vor der Schlange, was noch passieren würde. Sie starrten hinter sich in den Nebel, aber weder der Nebel noch das Dickicht des Unterholzes gab die Sicht auf den Wald oder auch nur den Weg frei.
    »Seht!«, schrie Hagen förmlich, der sich inzwischen einen Dreck darum scherte, ob sie ihn Hasenfuß rufen würden oder nicht. »Seht da!« Seine Stimme überschlug sich fast. »Da kommen drei…«
    Er ließ den Satz unvollendet. Aus dem Nebel schälten sich drei Schatten. Sie sahen fast so verzerrt und grotesk aus wie die Gestalt, die sie vor sich auf dem Weg gesehen hatten. Schweigend, bedrohlich kamen sie heran.
    »Lauft!«, rief Gunhild aus. »Lauft!« Sie warf ihren Knüppel weg und rannte los.
    Auch die beiden Jungen schüttelten die Erstarrung ab und rannten. Ihre Stöcke ließen sie achtlos fallen; Flucht war ihr

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