Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
vernichtet, wie dieser wütende Rächer. Auf allen Auktionen, bei denen er erschien, mußte ein jeder jede Hoffnung auf den Erwerb eines Kunstwerkes aufgeben. Es war, als hätte der erzürnte Himmel selbst diese furchtbare Geißel in die Welt geschickt, um ihr ihre ganze Harmonie zu nehmen. Diese fürchterliche Leidenschaft verlieh ihm ein grauenhaftes Kolorit: sein Gesicht war immer gelb vor Galle. Weltverachtung und Weltverleugnung spiegelten sich in seinen Zügen. In ihm hatte sich gleichsam jener schreckliche Dämon verkörpert, den Puschkin in idealisierter Gestalt geschildert. Aus seinem Munde kam nichts als giftige Worte und ewiger Tadel. Er glich einer Harpyie, und wenn ihn jemand, selbst einer von seinen Bekannten, auf der Straße von weitem erblickte, so beeilte er sich, ihm aus dem Wege zu gehen und behauptete, daß eine solche Begegnung genüge, um einem Menschen den ganzen Tag zu vergiften.
    Zum Glück für die Welt und für die Kunst konnte solch ein gespanntes und gewalttätiges Leben nicht lange dauern: das Maß der Leidenschaften war für seine schwachen Kräfte zu unregelmäßig und kolossal. Anfälle von Raserei und Wahnsinn kamen immer öfter, und schließlich wurde das alles zu einer schrecklichen Krankheit. Ein grausames Fieber, mit galoppierender Schwindsucht vereint, fiel so heftig über ihn her, daß von ihm schon nach drei Tagen nur ein Schatten übrigblieb. Dazu gesellten sich auch alle Anzeichen eines hoffnungslosen Irrsinns. Manchmal konnten ihn selbst mehrere Männer nicht festhalten. Die längstvergessenen, lebendigen Augen des ungewöhnlichen Porträts schwebten ihm immer öfter vor, und dann wurde seine Raserei ganz entsetzlich. Alle, die sein Krankenlager umstanden, erschienen ihm als grauenhafte Porträts. Das Porträt verdoppelte, vervierfachte sich vor seinen Augen; alle Wände schienen mit Porträts bedeckt zu sein, die in ihn ihre unbeweglichen, lebendigen Augen bohrten; schreckliche Porträts blickten von der Decke und vom Boden: das Zimmer dehnte und verlängerte sich in die Unendlichkeit, um möglichst viel dieser unbeweglichen Augen fassen zu können. Der Arzt, der sich verpflichtet hatte, ihn zu behandeln, und der schon einiges von seiner seltsamen Geschichte gehört hatte, gab sich alle Mühe, den geheimen Zusammenhang zwischen den Gespenstern, die jener sah, und den Ereignissen seines Lebens zu ergründen, brachte es aber nicht fertig. Der Kranke begriff und fühlte nichts außer seinen Qualen und gab nur schreckliche Schreie und unverständliche Worte von sich. Endlich riß sein Lebensfaden in einem letzten, bereits lautlosen Schmerzensausbruch. Der Anblick seiner Leiche war schrecklich. Von seinen großen Reichtümern konnte man nichts finden; als man aber die zerschnittenen Stücke der erhabenen Kunstwerke, deren Wert Millionen überstieg, fand, begriff man, was er für einen entsetzlichen Gebrauch von ihnen gemacht hatte.

II
    Eine Menge von Equipagen, Droschken und Kutschen stand vor der Einfahrt des Hauses, in dem die Auktion des Nachlasses eines jener reichen Kunstliebhaber stattfand, die, von Zephiren und Amoretten umschwebt, ihr ganzes Leben im süßen Schlummer verbracht und ohne ihr Dazutun den Ruhm von Mäzenen erworben haben, indem sie dazu in einfältigster Weise die Millionen verwandten, die ihre solideren Väter und oft sogar sie selbst durch frühere Arbeit angesammelt hatten. Solche Mäzene gibt es heute bekanntlich nicht mehr, und unser XIX. Jahrhundert hat schon längst die langweilige Physiognomie eines Bankiers angenommen, der seine Millionen nur in Gestalt einer auf dem Papiere stehenden Reihe von Ziffern genießt. Der lange Saal war von einer sehr bunten Menge von Besuchern gefüllt, die wie die Raubvögel zu einem unbeerdigten Leichnam zusammengeflogen waren. Hier sah man eine ganze Flottille russischer Händler aus dem großen Kaufhause und selbst vom Trödelmarkte in blauen deutschen Röcken. Ihr Aussehen und Gesichtsausdruck waren hier viel sicherer und freier und hatte nichts von der süßlichen Dienstfertigkeit, die der russische Kaufmann stets in seinem Laden vor dem Kunden zeigt. Hier achteten sie gar nicht auf ihre gesellschaftliche Stellung, obwohl sich im gleichen Saale eine Menge von den Aristokraten befanden, vor denen sie an einem andern Orte bereit wären, mit ihren Bücklingen den Staub abzuwischen, den sie mit ihren eigenen Stiefeln hereingetragen. Hier gaben sie sich ganz ungezwungen, betasteten ohne Umstände die Bücher und

Weitere Kostenlose Bücher