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Pfade Ins Zwielicht

Pfade Ins Zwielicht

Titel: Pfade Ins Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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plötzlich bewusst, dass die Sonne im Westen den halben Weg zum Horizont zurückgelegt hatte, und ihr Herz begann, schmerzhaft zu pochen. Maighdin hätte schon längst wieder dasein müssen.
    Die Aes Sedai schien noch erschütterter als sie zu sein. »Heute Morgen?«, wiederholte sie und sah über die Schulter. Sie zuckte zusammen und gab einen leisen Aufschrei von sich, als Maighdin unvermittelt aus dem Strom der Gai'schain trat, die den Platz bevölkerten.
    Im Gegensatz zu Alliandre war die blonde Frau an jedem Tag ihrer Gefangenschaft härter geworden. Sie war nicht weniger verzweifelt, aber sie schien alles zu kanalisieren und in Entschlossenheit umzuwandeln.
    Sie hatte immer schon über eine Ausstrahlung verfügt, die mehr zu einer Königin gehörte als zu einer Zofe obwohl die meisten Zofen darüber verfügten -, aber jetzt stolperte sie mit stumpfem Blick an ihnen vorbei und stieß die Hände in einen Wassereimer, führte eine Hand voll an den Mund, um gierig zu trinken, und rieb sich dann mit dem Handrücken über die Lippen.
    »Ich will Therava töten, wenn wir gehen«, sagte sie heiser. »Ich würde sie gern auf der Stelle umbringen.«
    Leben trat erneut in ihre blauen Augen, und ein hitziges Funkeln. »Ihr seid sicher, Galina. Sie hat geglaubt, ich wollte etwas stehlen. Ich hatte noch nicht einmal zu suchen angefangen. Etwas ... etwas ist geschehen, und sie ist gegangen. Nachdem sie mich gefesselt hatte. Für später.« Das Funkeln verschwand aus ihrem Blick und wich Ratlosigkeit. »Was ist das, Galina? Selbst ich kann es fühlen, und mein Talent ist so verschwindend klein, dass diese Aielfrauen mich als ungefährlich eingestuft haben.« Maighdin konnte die Macht lenken. Nicht verlässlich und auch nicht sehr viel - soweit es Faile beurteilen konnte, hätte die Weiße Burg sie nach wenigen Wochen fortgeschickt, und sie behauptete, niemals dort gewesen zu sein -, darum würde ihnen das auch nicht bei der Flucht helfen können. Faile hätte sie gern gefragt, wovon sie sprach, aber sie erhielt keine Gelegenheit.
    Galina war noch immer sehr blass, aber davon abgesehen schien ihre Gelassenheit unerschütterlich. Nur dass sie nach Maighdins Kapuze mitsamt dem darunterliegenden Haar griff und ihren Kopf nach hinten riss. »Das geht Euch nichts an«, sagte sie kühl. »Das hat nichts mit Euch zu tun. Ihr sollt Euch nur darum kümmern, mir das zu beschaffen, was ich haben will. Und das sollte Eure einzige Sorge sein.«
    Bevor Faile Maighdin zur Hilfe eilen konnte, war eine andere Frau mit dem goldenen Gürtel über ihrem weißen Gewand zur Stelle, zerrte Galina weg und stieß sie zu Boden. Mollig und unscheinbar hatte Aravine einen völlig resignierten Eindruck gemacht, als Faile ihr das erste Mal begegnet war, an dem Tag, an dem ihr die Amadicianerin den goldenen Gürtel überreicht und sie darüber belehrt hatte, dass sie jetzt in den Diensten von »Lady Sevanna« stand. Doch die seitdem vergangene Zeit hatte Aravine noch härter gemacht als Maighdin.
    »Seid Ihr verrückt, Hand an eine Aes Sedai zu legen?«, fauchte Galina und kämpfte sich auf die Füße.
    Sie klopfte sich den Schmutz von ihrem Seidengewand und richtete ihre volle Wut auf die mollige Frau. »Ich werde Euch ...«
    »Soll ich Therava sagen, dass Ihr eine von Sevannas Gai'schain misshandelt habt?«, schnitt ihr Aravine eiskalt das Wort ab. Ihr Akzent klang gebildet. Möglicherweise war sie eine bedeutende Kauffrau gewesen, vielleicht sogar eine Adlige, aber sie sprach nie davon, was sie gewesen war, bevor sie das Weiß hatte anziehen müssen. »Als Therava das letzte Mal der Ansicht war, Ihr würdet Eure Nase dorthin stecken, wo sie nicht hingehört, konnte jeder im Umkreis von hundert Schritten Euch kreischen und betteln hören.«
    Galina zitterte förmlich vor Wut; es war das erste Mal, dass Faile eine Aes Sedai so außer sich sah. Es kostete sie eine sichtbare Anstrengung, die Beherrschung zurückzuerlangen. Und es gelang ihr nur so gerade eben. Ihre Stimme troff vor Gift. »Aes Sedai haben ihre eigenen Gründe für das, was sie tun, Aravine, Gründe, die Ihr nie verstehen würdet. Ihr werdet es bereuen, diese Schulden gemacht zu haben, wenn ich sie eintreiben komme. Ihr werdet es schrecklich bereuen.« Sie strich ein letztes Mal über ihr Gewand und stolzierte davon, nicht länger eine Königin, die den Pöbel verabscheute, sondern eine Leopardin, die die Schafe herausforderte, ihr den Weg zu versperren.
    Aravine sah ihr hinterher und schien

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