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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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der Lage war, die Maschinen auseinander- und wieder zusammenzubauen. Mal machte mir das mehr, mal weniger Spaß, aber ich verbrachte gerne Zeit mit ihm.
    Irgendwann im Januar gab er mir einen Kuss, der ein wenig nach Motoröl schmeckte, weil ich mir bei der Arbeit über den Mund gewischt hatte. Noch heute, wenn ich Schmieröl rieche, denke ich an diesen Kuss und an das Rauschen der tiefen Wälder.

52.
    Nachdem der Schnee getaut war, zeigte Tyler mir, wie man ein Motorrad auf der Straße unter erschwerten Bedingungen beherrscht. Es war die eine Sache, auf freier Fahrbahn über den Asphalt zu preschen; ganz anders lagen die Dinge, wenn man in engem Slalom die Wracks auf den Highways umfuhr. Ich bestand darauf, dass auch Emma den Umgang mit den Maschinen erlernte. Sie sagte Horoœo und war innerhalb kürzester Zeit eine perfekte Fahrerin.
    Im April verließen wir das Haus der Petersons und machten uns auf den Weg nach Westen. In den vergangenen Wochen waren immer mehr Menschen durch die Berge gezogen, und nicht alle wirkten freundlich. Es war an der Zeit, abgeschiedenere Regionen zu erkunden.
    Ende Juni quartierten wir uns in einem Haus in Colorado ein, gar nicht unähnlich jenem, das wir aufgegeben hatten. Nur lag es viel höher in den Rocky Mountains und blickte über einen kleinen See.
    Jemand war vor uns hier gewesen, auf dem Esstisch lag ein Zettel mit ein paar handschriftlichen Zeilen:
    Geht so pfleglich mit diesem Ort um, wie wir es getan haben. Wir ziehen weiter nach Alaska und werden nicht wiederkommen. Füttert den Fuchs, der abends an die Hintertür kommt – jedenfalls hat er das bis zum 21. März getan, dem Tag, an dem wir abreisten. Er ist ein zutraulicher kleiner Kerl, und vielleicht bringt er bald ein paar Junge mit. Katie, unsere Tochter, sagt, sie habe ihn mit einer Füchsin gesehen, an den drei großen Kiefern am Waldrand. Ihr werdet ihm und vielleicht auch seiner Familie begegnen. Viel Glück und Gott segne Euch.
    Daneben lag eine Liste mit Vorräten, einige durchgestrichen, außerdem eine Karte der weiteren Umgebung, auf der die Orte mit Plus- und Minuszeichen markiert waren. Drei waren mit kleinen Totenköpfen gekennzeichnet. In den folgenden Monaten machten wir einen weiten Bogen um diese Städte und gingen jeder Begegnung mit anderen Überlebenden aus dem Weg.
    Im Oktober, ein Jahr nach der letzten Smilewave, gingen auf einmal alle Lichter im Haus an. Der Fernseher schaltete sich ein. Er zeigte nur weißes Rauschen, aber aus dem Radio in der Küche drang verzerrte Musik und die ungeübte Stimme eines Moderators. Er schien den Job noch nicht lange zu machen, aber er versorgte uns mit Informationen, die nach und nach aus anderen Teilen des Landes bei ihm eintrafen.
    Emma sprach jetzt neben Russisch auch Italienisch und Hebräisch. Als ihr die Lehrbücher ausgingen, bat sie Tyler, ihr Norwegisch beizubringen. Fortan paukte er mit ihr zwei Stunden am Tag Vokabeln und Grammatik und fand allmählich Spaß daran, aus dem Kopf lange Listen mit Wörtern und Redewendungen zu erstellen. Manchmal sah ich den beiden zu, während ich an den Aufzeichnungen arbeitete, aus denen schließlich dieser Bericht werden sollte.
    Einmal, während Tyler draußen im Wald auf der Jagd war, fragte ich Emma: »Hast du sie wirklich gehört?«
    Sie senkte den Blick und nickte.
    »Was hat sie gesagt?«
    » Ich habe in seine Augen gesehen. Und er in meine. «
    »Sonst nichts?«
    » Sie sieht so glücklich aus im Schlaf. «

53.
    Ein halbes Jahr lang ließ der Fuchs sich nicht blicken.
    Im Januar, als der Schnee einen Meter hoch lag, tauchte er unverhofft an der Hintertür auf. Unter den Kiefern am Waldrand stand ein Weibchen mit fünf Jungen. Der Wurf konnte erst wenige Wochen alt sein.
    Tyler und ich sahen durch die Scheibe zu, wie der Fuchs über den Schnee heranpirschte und uns eine Maus vor die Tür legte. Dann verschwand er im Wald, gemeinsam mit seiner Familie.
    Am nächsten Abend erwarteten ihn Reste von unserem selbst gebackenen Brot und zwei tote Ratten, die Tyler im Keller hinter den Mehlvorräten erwischt hatte. Der Fuchs revanchierte sich mit einem halben Eichhörnchen.
    In der Küche sang Bruce Springsteen vom Zusammenhalt der Arbeiterklasse. Im Wohnzimmer rezitierte Emma Shakespeare auf Norwegisch.
    »Glaubst du, sie schaffen es durch den Winter?«, fragte Tyler.
    »Sie haben es im letzten geschafft«, sagte ich. »Warum nicht in diesem?«
    Wir standen Arm in Arm am Fenster und beobachteten die Füchse beim

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