Smokeheads: Vier Freunde. Jede Menge Whisky. Ein höllisches Wochenende. Roman (German Edition)
Das Blut rauschte in seinen Ohren, und das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sich über die Eisfläche kämpfte.
Tausende schwarzer Schatten erfüllten den Nachthimmel und bedeckten den zugefrorenen Loch Kinnabus. Aufgeschreckte Vögel veranstalteten ein wildes Chaos aus schlagenden Flügeln und Geschnatter. Von irgendwoher hinter ihnen sandte eine Leuchtfackel violette Lichtfinger aus, die über das Land strichen. Er hastete weiter, verzweifelt bemüht, dem Alptraum zu entrinnen, der ihn jagte.
Er sah sich nach seinen Freunden um, doch es gab nicht genügend Licht, um irgendetwas zu erkennen. Er rang nach Luft. Panik trieb ihn vorwärts. Seine Beine schmerzten, und sein Kopf dröhnte.
Dann ein dumpfes, schweres Knacken: Vor ihm brach das Eis auf, und schwarze Splitter streckten sich seinen Füßen entgegen. Unter ihm gab die Eisfläche nach, und er stürzte in eisiges Wasser, das ihm die Luft aus den Lungen presste.
Noch während er fiel, griff er verzweifelt nach zerbrochenen Eisschollen; der Kälteschock verspannte seine Muskeln, und Krämpfe durchzuckten seinen Körper. Sein Kopf tauchte unter, und sein Gesicht brannte wie Feuer.
Mit steifen Armen kämpfte er sich zurück an die Oberfläche, wollte schreien, doch seine Lunge war leer. Er ging abermals unter und schluckte Wasser.
Sein ganzer Körper zuckte, als er wieder aufzutauchen versuchte. Sein Brustkorb drohte zu bersten. Inmitten von gezackten Eisschollen fuchtelte er mit den Armen und schlug um sich. Als sein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, meinte er eine helfende Hand zu sehen, griff danach, verfehlte sie aber. Er spürte, wie sein Körper erneut in die Tiefe gezogen wurde, wie die Kälte das Leben aus ihm saugte und seine Nerven in Brand setzte.
Er wappnete sich für einen letzten Versuch, stieß sich nach oben, hoffte, die Hand wäre noch da, hoffte, jemand würde ihn retten, hoffte, es gäbe ein Entrinnen.
Unter Aufbietung der letzten Kräfte streckte er die Hände aus dem Wasser und suchte etwas, woran er sich festhalten konnte.
1
»Was trinken wir?«
»Rate mal.«
Adam sah Roddy an, der trotz des heftigen Windes hoch aufgerichtet über ihm stand. Sie spielten ständig dieses Spiel: Roddy wollte den vorgeblichen Whiskykenner zu gerne aufs Glatteis führen. In dem heftigen Sturm, der an ihnen rüttelte, prüfte Adam die bernsteinfarbene Flüssigkeit im Glas. Ständig musste er sein Gewicht verlagern, um das Schlingern der Fähre auszugleichen. Nicht das ideale Ambiente für ein Tasting, aber er steckte die Nase dennoch ins Glas.
Es roch pfeffrig, ein paar Spritzer Seegras, eine starke Torfnote, dann etwas Süßeres, vielleicht Zimt. Angesichts der Tatsache, dass sie sich auf dem Schiff nach Port Askaig befanden, musste es natürlich ein Islay sein. Adam trank einen Schluck, rollte den Whisky in der Mundhöhle herum, ließ ihn über und um seine Zunge laufen und die Geschmacksknospen durchfeuchten. Er war alt: Zu viel Eiche, Vanille und Kakao milderten die scharfe Würzigkeit. Er stammte aus keiner der aktiven Brennereien, und das ließ nur einen Schluss zu.
»Port Ellen?«
Roddy grinste. »Wie alt?«
»Dreißig?«
Roddy zog scharf die Luft ein. »Siebenundzwanzig Jahre. Einzelfass, limitierte Abfüllung von hundertsiebenunddreißig Flaschen. Hat mich dreihundertzwanzig Pfund gekostet.«
Typisch Roddy. Er konnte keinen Whisky spendieren, ohne einem unter die Nase zu reiben, wie teuer er war. Auch typisch für ihn, einen Port Ellen zu haben, den seltensten Islay Malt, aberwitzig überbewertet.
Das war eben Roddy: mehr Schein als Sein. Adam versuchte seinen Ärger hinunterzuschlucken. Auf diesem Ausflug musste er ruhig bleiben, wenn er das bekommen wollte, was er sich vorgenommen hatte. Er warf einen Blick auf seine neue Armbanduhr und drückte den Knopf.
»Was drückst du da ständig herum?«, wollte Roddy wissen, trank sein Glas Whisky aus und schenkte sich nach.
Adam zögerte. »Die Uhr hat einen Pulsmesser.«
Roddy prustete. »In echt?«
»In echt.«
»Und?«
Tiefer Atemzug. »Neunundachtzig.«
»Ruhepuls? Du lieber Himmel! Kurz vorm Herzinfarkt. Das Letzte, was du jetzt brauchst, ist, deinen Puls zu überwachen, Strachan. Sonst sorgst du dich noch zu Tode.«
Adam murmelte in seinen Bart: »Jetzt gelassen bleiben. Ganz gelassen bleiben.« Damals, als die Sitcom Seinfeld im Fernsehen lief, war es noch ein Witz gewesen: Roddy hatte Adam mit dem verklemmten Loser George verglichen. Damals hatte Adam noch mitgelacht
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