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Phönix

Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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Augen, was bei Dragaeranern, egal woher, ungewöhnlich ist. Er blickte mit beiläufigem Interesse auf die See, als würden sie Gedanken austauschen.
    Ich sagte: »Danke für das Essen.« Er grunzte, ohne den Blick vom Meer zu lassen. Ich fragte: »Sucht Ihr was Bestimmtes?«
    »Nein«, gab er mit dem zackigen Akzent der östlichen Regionen des Imperiums zurück, so daß es sich anhörte wie »neun«.
    Tatsächlich befindet sich ein Schiff in stetiger Schaukelbewegung, ganz ähnlich, wie ich sie auf Pferden erfahren habe (worauf ich nicht im einzelnen eingehen werde, wenn’s recht ist). Dennoch sind innerhalb dieser ständigen Bewegung keine zwei Manöver des Schiffes genau gleich. Ich betrachtete eine Weile den Ozean mit meinem Begleiter und sagte: »Es hört nie auf, oder?«
    Er sah mich zum erstenmal an, doch ich konnte aus seinem Gesicht nichts lesen. Dann wandte er sich wieder dem Meer zu und sagte: »Nein, sie hört nie auf. Sie ist immer gleich, und sie ist immer in Bewegung. Sie zu beobachten wird mir nie langweilig.« Er nickte mir zu und ging dann zum hinteren Teil des Schiffes. Zum Heck, wie sie es nennen.
    Links draußen neben uns, auf der Seite, an der ich stand, tauchten kurz zwei Orcas auf und wieder unter. Ich schaute weiter hin, und es geschah erneut, ein bißchen näher, dann ein drittes Mal. Blank und geschmeidig waren sie; stolz. Sie waren sehr schön.
    »Ja, das sind sie«, sagte Yinta, als sie neben mich trat.
    Ich drehte mich um und sah sie an. »Was?«
    »Sie sind wirklich schön.«
    Mir war gar nicht aufgefallen, daß ich laut gesprochen hatte. Ich nickte und wandte mich zum Meer, doch sie tauchten nicht wieder auf.
    Yinta sagte: »Das waren Kurzflossen. Sind Euch die weißen Flecken auf dem Rücken aufgefallen? Wenn sie noch jung sind, ziehen sie gerne in Paaren durchs Meer. Später werden sie sich zu größeren Gruppen zusammentun.«
    »Die Schwanzflossen sahen aber gar nicht so kurz aus«, bemerkte ich.
    »Waren sie auch nicht. Das waren zwei Walkühe; die Männchen haben kürzere Flossen.«
    »Wieso denn das?«
    Sie zuckte die Achseln. »So sind sie eben.«
    Über uns und auch dicht über der Wasseroberfläche flogen Möwen. Ich habe mal gehört, das würde bedeuten, es sei Land in Sicht, aber ich konnte keines sehen. Sonst gab es kaum Anzeichen von Leben. So eine riesige Menge Wasser, und wir waren hier so allein. Die Segel waren voll und machten kaum Geräusche, abgesehen vom Knirschen im Mast, wenn der Wind oder das Schiff sich ab und zu leicht drehte. Vorhin hatte es öfter lautes Schnalzen gegeben, als der Wind sich rascher entschloß, wohin er uns schicken und wie schnell er uns dorthin gelangen lassen wollte. Über Nacht habe ich mich an die Bewegungen des Schiffes gewöhnt, so daß sie mir inzwischen kaum noch auffielen.
    Grünewehr lag irgendwo voraus. Dort lebten ungefähr zweihunderttausend Dragaeraner. Die Insel war etwa einhundertzehn Meilen lang und vielleicht dreißig breit, und auf meiner Karte sah sie wie eine Banane aus, mit einem krummen Strunk an der uns zugewandten Seite. Der Hafen lag dort, wo der Strunk in die Frucht überging. Die größte Stadt, in der ein gutes Zehntel der Bevölkerung wohnte, befand sich etwa zwölf Meilen vom Strunk aus im Landesinneren. Zwölf Meilen; knapp einen halben Tagesmarsch oder, gemäß den Hinweisen, die Kragar zusammengestellt hatte, fünfzehn Stunden an Bord eines Pfahlbootes.
    Der Wind drehte sich und schickte den Mastausleger bedächtig knirschend über meinen Kopf hinweg. Der Käptn lag auf dem Rücken, sie hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und rauchte eine kurze Pfeife mit einer Art Regenschirm obendrauf, ich vermute, um die Gischt abzuhalten. Durch den veränderten Wind konnte ich kurz den Duft von brennendem Tabak riechen, der so gar nicht zu den Meeresgerüchen paßte, an die ich mich schon gewöhnt hatte. Yinta stützte sich auf die Reling.
    »Ihr seid für diese Sache hier geboren, richtig?« fragte ich.
    Sie drehte sich zu mir und betrachtete mich. Ihre Augen waren grau. »Ja«, sagte sie schließlich, »bin ich.«
    »Und, werdet Ihr eines Tages ein eigenes Schiff haben?«
    »Ja.«
    Ich drehte mich wieder zur See. Sie wirkte glatt mit ihren grünen Wellen gegen den orangeroten dragaeranischen Horizont. Ich verstand was von Meeresansichten. Zum erstenmal blickte ich zurück, aber natürlich war das Festland längst außer Sichtweite.
    »Aber nicht so eins hier«, sagte Yinta.
    Ich drehte mich um, doch sie

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