Piesberg in Flammen
Grün. Efeu und WaldgeiÃblatt, die sich bis in die Kronen emporschlangen, immergrün, und die Bäume wie in einen Kokon hüllten. Die Ãste zeigten einen Pelz, blass graugrün, kaum wahrnehmbar noch. Das Buschwerk begann weinrot zu glänzen, als ob es Speck ansetzte. Junge Triebe zeigten sich, Schneeglöckchen krochen hervor und Krokusse. Das Moos am Boden bekam einen frischen Ton. Alles steckte voller Erwartung. Wie vor einer Geburt. Die Pflanzen würden Wasser brauchen, um zu sprieÃen, doch es hatte länger nicht geregnet.
Der blaue Himmel hinter den Bäumen war von Schäfchenwolken durchzogen und von Kondensstreifen, die hell in der noch tief stehenden Sonne leuchteten. Der scharfe Kontrast zum dunklen Wald davor erinnerte an ein Bild von Magritte, »Lâempire des lumières«. Es hängt in einem Museum in Venedig.
Hero Dyk fühlte sich leicht, als er Richtung Norden fuhr, dem Lauf der Nette bis kurz vor Rulle folgend, um sich dann Richtung Westen entlang ordentlich asphaltierter Feldwege zu orientieren. Befreit und wie besoffen von all dem Frühling um sich herum, lag ihm schlieÃlich der Piesberg im Weg, ein gewaltiger Steinbruch zwischen Osnabrück und Wallenhorst. Dank der elektrischen Tritthilfe an seinem Pedelec kam es Hero Dyk nicht darauf an, den kürzesten, einfachsten Weg zu finden. Er umfuhr den Berg weitläufig. Die Adresse, die er suchte, lag nördlicher. Zwischen Lechtingen und Pye.
Was er fand, war eine Siedlung, bestehend aus drei Häusern. Er hielt auf der LandstraÃe etwas oberhalb der Siedlung an, um sich alles in Ruhe zu betrachten. Das erste Haus lag der LandstraÃe am nächsten, vielleicht hundert Meter entfernt und etwas tiefer. Es war aus alten Bruchsteinen gebaut und hatte grüne Fensterläden, die es wie Zähne drohend zu fletschen schien. Das zweite Haus hatte man aus dunkelroten Ziegelsteinen errichtet, das hinterste schien unbewohnt zu sein. Ein altes Mietshaus, roh verputzt, die Fenster leer und blind. Ein Schotterweg wand sich von der LandstraÃe aus zwischen den Häusern und einem rechts davon gelegenen Schuppen hindurch.
»Gebettet wie in den Schoà des Piesberges«, schrieb er in sein Notizbuch.
Hinten der dunkle Berg mit seinen Stollen, rechts und links alte Abraumhalden, die jetzt bewaldet waren. Die Sonne hatte bisher nur die östliche Deponie erreicht. Die Häuser selbst lagen noch im Schatten, kalt und frostig. Ein groÃes Feld links zeigte seine rote Erde.
Dies waren keine alten Bauernhöfe, wie man sie in der Gegend kennt. Es gab keine Stallungen, keine Scheunen, wohl aber den Schuppen für Werkzeug. Diese Häuser hatte man für Bergarbeiter gebaut, nicht für Bauern. Ein paar alte Weiden grenzten die Siedlung zur LandstraÃe hin ab. Vor das erste Haus aus Bruchsteinen hatte jemand eine Holzhütte auf Stelzen gebaut, wie Kinder sie mögen. Sie sah völlig unbenutzt aus. Daneben gab es einen Fischteich und einen Gemüsegarten. Nichts lag herum, kein Spielzeug weit und breit.
Eine mächtige Eiche wuchs durch das rote Ziegeldach des Schuppens. Die Hero Dyk zugewandte AuÃenwand fehlte, sodass der Baum unten wie beschattet stand. Ein Stoà Brennholz war zwischen den Wurzeln aufgestapelt. Weiter links sah man zwei groÃe Holztore in der Schuppenwand.
Ein Schild verbot die Nutzung des Schotterweges, doch Hero Dyk störte sich nicht daran. Er fuhr zum ersten Haus hinunter. Es schien kleiner zu werden, je näher er kam. Es verlor an Bedrohlichkeit. Das Rad bremste in einer Staubwolke, und er betrat die Veranda aus Holz, Steinen und Glas. Ein Fenster gab den Blick frei in einen dunklen Raum, der die gesamte Grundfläche des Hauses einzunehmen schien. Er schlug mit einem Klopfer an die Tür, aber es öffnete niemand. Ohne Erfolg versuchte er es noch ein paar Mal und trat dann zurück, um sich umzusehen.
»Die Siedlung ist nicht verlassen«, notierte er sich. »Sie wartet nur.«
Die Luft war von fernem Rauschen erfüllt, das zunächst kaum auffiel, sich dann jedoch überdeutlich bemerkbar machte. Das Geräusch von geschütteten Steinen vom Steinbruch her. Darüber lag das Singen der liebestollen Vögel.
Weiter den Schotterweg hinunter, vorbei an dem Schuppen, fiel eine umzäunte Wiese auf, die voller Weiden stand. Eine davon hatte man so beschnitten, dass nur zwei verwachsene Arme übrig geblieben waren. Wie bei einer
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