Pilot Pirx
einigermaßen sauberzukriegen. Manche behaupten sogar steif und fest, daß dem Piloten Würtz, der seine Rakete dreiunddreißig Meter tief in die Betonplatte des Landeplatzes gewuchtet hatte, nur zu spät eingefallen wäre, rechtzeitig den Spiegel abzuwischen – er hätte diese Arbeit erst in Angriff genommen, als er sich schon in der Atmosphäre befand.
Pilot Pirx hatte so etwas noch nie getan; er hatte, was wichtiger war, auch nie die geringste Versuchung gespürt, den Spiegel anzuspucken, obwohl der feste Vorsatz, dieser Anfechtung zu trotzen, angeblich zu heftigen inneren Kämpfen führen konnte, was nur den lächerlich anmutete, der noch nie mutterseelenallein auf Patrouille war. Pirx hatte es bisher noch immer, selbst während der gräßlichsten Langeweile, fertiggebracht, schließlich doch noch etwas auszuknobeln, und um dieses Etwas wickelte er dann alle anderen verworrenen und unklaren Gefühle und Gedanken, wie einen langen, verfilzten Faden um einen harten Bolzen.
Die Uhr – der gewöhnliche Chronometer – zeigte elf Uhr nachts. In dreizehn Minuten würde Pirx sich auf dem Abschnitt seiner Umlaufbahn befinden, der am weitesten von der Sonne entfernt war. Er räusperte sich ein paarmal, um das Mikrofon zu überprüfen, trug dem Kalkulator aufs Geratewohl auf, die vierte Wurzel aus 876998341056396 zu ziehen, warf aber nicht einen einzigen Blick auf das Ergebnis, das der Automat, der die kleinen Ziffern nervös durch seine Fensterchen schnurren ließ, in Windeseile ausspuckte, als hinge sonstwas davon ab. Er erging sich in folgenden Gedanken: Nach der Landung würde er zuerst ganz lässig die Handschuhe aus der Raketenluke werfen, dann würde er sich eine Zigarette anstecken, in die Messe gehen und sich was Gebrutzeltes bestellen, was Scharfes, mit rotem Paprika, dazu ein großes Helles, er trank nämlich gern Bier.
In diesem Augenblick bemerkte er den kleinen Lichtfleck. Er schielte nur mit einem Auge auf den linken vorderen Bildschirm, denn im Geiste war er bereits in der Messe, ja, er schnupperte schon den lieblichen Duft frischer Bratkartoffeln, die extra für ihn zubereitet wurden, und dennoch – das Lichtpünktchen war kaum mitten ins Bild gewandert, da spannte er so die Muskeln an, daß er ohne die Gurte garantiert vom Sessel geschnellt wäre. Der Bildschirm hatte ungefähr einen Durchmesser von einem Meter und sah aus wie ein schwarzer Schacht – ziemlich genau in der Mitte leuchtete das Rho des Schlangenträgers, und in der Milchstraße klaffte ein doppelter dunkler Spalt, der bis an den Rand des Schirms reichte. Zu beiden Seiten schien alles wie mit Sternenpulver bestreut. In dieses reglose Bild glitt langsam ein einziger Lichtpunkt, der aber wesentlich besser zu erkennen war als jeder Stern. Nicht, daß er besonders hell gewesen wäre – Pirx bemerkte ihn deshalb sofort, weil er sich bewegte.
Man kann im Raum bewegliche Lichtpunkte antreffen – die Positionslichter von Raketen. Normalerweise jedoch werden diese Lichter nicht eingeschaltet, es geschieht nur auf besondere Aufforderung über Funk, zum Zwecke der Identifizierung. Alle Raumkörper haben ihre speziellen Positionslichter – Passagierschiffe, Gütertransporte, die schnellen ballistischen Raketen, Patrouillenschiffe, Raketen des kosmischen Dienstes, Tanker und so weiter. All diese Lampen sind an den unterschiedlichsten Stellen angebracht und haben die verschiedensten Farben – mit einer einzigen Ausnahme: Weiß. Mit weißen Positionslichtern sind die Raketen deshalb nicht ausgestattet, damit man sie von den Sternen unterscheiden kann. Fliegen nämlich zwei Schiffe dicht hintereinander, so könnte das weiße Licht des ersten den Eindruck erwecken, als bewege es sich nicht. Das aber muß vermieden werden, weil andernfalls die Gefahr besteht, daß der Pilot irregeführt wird.
Der kleine Punkt, der träge ins Bild kroch, war jedoch schneeweiß, und Pirx hatte das Gefühl, die Augen müßten ihm aus den Höhlen treten. Aus Angst, den Lichtfleck aus dem Blickfeld zu verlieren, wagte er nicht, mit den Wimpern zu zucken. Als ihm schließlich die Lider brannten, blinzelte er – aber alles blieb unverändert. Der weiße Punkt glitt seelenruhig über den Schirm, nur noch ein Dutzend Zentimeter trennten ihn vom gegenüberliegenden Rand. Eine Minute noch, und er würde aus seinem Gesichtskreis verschwinden.
Ohne noch einmal die Hilfe der Augen in Anspruch zu nehmen, packten seine Hände ganz von selbst die richtigen Hebel. Der Reaktor,
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