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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Wakiya-knaskiya

    D reifach stand es geschrieben, in Listen, in Registern und in Karteien:
    Byron Bighorn, geb. 24. April 195...
    Das Papier, auf dem Byron Bighorns Geburt und sein Name verzeichnet wurden, war gutes Papier. Es hielt seine Farbe. Die Tinte war fest eingetrocknet, nicht verflossen, die Farbbänder waren neu gewesen und hatten sich deutlich abgedrückt. Die Listen, Register und die Karteien wurden in Häusern, unter Dächern, gegen Hitze, Kälte und Nässe geschützt aufbewahrt, und sie waren in Fächern geordnet, so daß jedermann jederzeit den Namen und das Datum finden konnte, so unwichtig diese auch scheinen mochten.
    Wo aber Wind über gelbes Gras und bunte Erde wehte, wo Sonne und Mond über bloßliegendem Land leuchteten und der Himmel sich in der Gewalt der Sturzregen auf die Prärien niederwarf, wo die Blockhütte einsam und verloren stand, da riefen Vater und Mutter, Bruder und Schwester: Wakiya-knaskiya! Wilder Donner, Toller Donner, Geheimnisträchtiger Donner!. Sie riefen es leise mit klingenden Stimmen.
    Als Wakiya-knaskiya vier Jahre alt geworden war, nahm ihn der Vater eines Morgens an die Hand und machte sich mit ihm auf einen weiten Weg. Der Vater war ein großgewachsener Mann, mager, müde und schweigsam, Sohn seines Landes. Seine Niethosen und das offene Hemd waren einmal blau gewesen, die sorgfältig aufgesetzten Flicken in Blau, Schwarz oder Grün gemustert, aber Arbeit hatte die Kleidung abgewetzt und Sonne die Farben weggefressen, und so konnte nicht viel mehr gesagt werden, als daß Hose und Hemd billig und alt, die Frau aber um ihren Mann besorgt war. Das wußte auch Wakiya-knaskiya, so klein er noch war. Die Haut des Vaters hatte das sonnenluftatmende Braun verloren; sie war stumpf geworden, grau wie von Nebel umzogen.
    Der Tod saß diesem Mann im matten Blute. Auch das wußte Wakiya-knaskiya, obgleich es ihm niemand gesagt hatte. Aber Wakiya war mit Gräsern, Blüten, Bäumen und Tieren aufgewachsen, die wuchsen und starben, und war dem Leben wie dem Tod so nah wie ein Bruder.
    Wakiya lief an der Hand des Vaters, still wie dieser, mit viel kleineren, darum viel eiligeren Schritten. Er lief mit bloßen Füßen über Grasbüschel, vertrocknete Kakteen, Steine und krustigen Boden. Seine Füße kannten die Erde. Sie waren nicht durch künstliche Sohlen davon getrennt. Der Wind blies ihm vor die Brust, die Sonne wärmte ihn im Rücken. Sein einziges Kleidungsstück war eine neue Hose, die an verkürzten Trägern unschierig weit um seinen schmächtigen Körper bis über seine Knie schaukelte; sie sollte die nächsten sechs Jahre überdauern. So hoffte die Mutter, und so fürchtete Wakiya; eben in diesem Punkte wollten sie beide sehr klug sein und vergaßen darum die unsichtbaren Spinnfäden des Lebens.
    Der Vater ging mit Wakiya-knaskiya querfeldein. Einmal schwang er sich über einen Zaun und hob den Buben herüber. An einer Wasserlache am ausgetrockneten Bach standen Rinder. Der Vater machte halt, und Wakiya holte von den beiden Scheiben Schwarzbrot, die ihm die Mutter in die Hosentasche gesteckt hatte, eine hervor und verzehrte sie mit Bedacht. Der Vater aß nichts. Des Morgens in der Frühe, als die Sonne aufgegangen war und das Düster im kleinen Blockhaus nur mühsam und um ein geringes erhellt hatte, waren Eltern und Kinder um die Pfanne versammelt gewesen, in der die Mutter Mehlklümpchen in Fett briet, und alle hatten davon zu sich genommen.
    Aber auch in dem Mehl lauerte die Krankheit auf den Vater, und so ging er unsicher hin und her zwischen Hunger und Verderben.
    Es wurde hoher Mittag. Die Sonne stand im Scheitel ihrer Bahn, als der Vater und sein Kind ein Ziel erreichten. Der Vater blieb stehen und schaute ringsum, einmal langsam, noch einmal sehr langsam und endlich ein drittes Mal. Aber es war Wakiya nicht, als ob der Vater etwas suche, sondern als ob er etwas wiederfinde, und Wakiya folgte dem Blick, stumm und geduldig aufmerkend, wie er es in der Einsamkeit gelernt hatte.
    Was es aber zu sehen gab, war nichts als das Uralte; wildes Gras, wilde Stachelblätter, rote und graue Erde, die noch keines Menschen Hand und kein scharfes Eisen aufgerissen und umgestülpt hatten, und über allem der Himmel, so blau wie eine Blüte. Es war still, nicht einmal der Wind flüsterte; die Lüfte trugen die ausgebreiteten Flügel eines Raubvogels.
    Da sprach der Vater.
    »Wakiya - schließe deine Augen und deine Ohren und schaue und horche auf die Geister und auf die Toten.«
    Und

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