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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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mit einer Niederlage für ihn enden würde. Er dachte einfach an Cornelius, so, wie er ihn kannte, und er kannte ihn recht gut, obwohl sich ihre Wege vor vielen Jahren getrennt hatten. Sie hatten ein schlechtes Verhältnis zueinander gehabt, was gar nicht erstaunlich war, wenn man bedenkt, daß Cornelius der Kommandant des »Gulliver« war, er dagegen nur der Konavigator. Dennoch war ihr Verhältnis noch schlechter gewesen, als es bei einer solchen Konstellation üblich war, denn Cornelius war ein Monstrum an Akribie. Er wurde Quälgeist, Kleinigkeitskrämer, Graupenzähler, Fliegenfänger genannt, denn er bekam es fertig, die halbe Besatzung zu mobilisieren, um eine Fliege an Bord zu fangen.
    Pirx lächelte bei dem Gedanken an seine achtzehn Monate unter dem Kleinigkeitskrämer Cornelius; jetzt konnte er sich das erlauben, aber damals war er aus der Haut gefahren. Was für eine Nervensäge war er gewesen! Trotzdem war sein Name im Zusammenhang mit der Erforschung der äußeren Planeten, vor allem des Neptun, in die Enzyklopädie eingegangen. Klein, fahlgesichtig, ewig sauer, verdächtigte er jeden, ihn hintergehen zu wollen. Seinen Behauptungen – daß er seine Leute einer Leibesvisitation unterzog, weil sie ihm Fliegen an Bord schmuggelten – glaubte keiner, aber Pirx wußte sehr wohl, daß das keine Erfindung war. Es war ihnen natürlich nicht um die Fliegen gegangen, sondern darum, den Alten zu ärgern. Er hatte eine Schachtel DDT in seiner Schublade und bekam es fertig, mitten im Gespräch mit erhobenem Zeigefinger zu verstummen (wehe dem, der auf dieses Zeichen hin nicht erstarrte!) und einem Geräusch zu lauschen, das ihm wie ein Summen vorkam. Stets trug er ein Senkblei und ein Stahlmeßband mit sich herum; eine von ihm durchgeführte Ladekontrolle glich einem Lokaltermin am Ort einer Katastrophe, die zwar noch nicht passiert, aber im Anzug war. Er hatte noch den Schrei »Der Rechenschieber kommt, Deckung!« im Ohr, auf den hin die Messe verwaiste; er erinnerte sich an den sonderbaren Ausdruck in Cornelius’ Augen, die nicht an dem teilzuhaben schienen, was er gerade tat oder sagte, sondern die Umgebung auf unordentliche Stellen absuchten. Alle Menschen, die seit Jahrzehnten flogen, wurden nach und nach sonderlich, aber Cornelius hielt in dieser Beziehung den Rekord. Er konnte es nicht ertragen, jemanden in seinem Rücken zu haben, und wenn er zufällig an einen Stuhl geriet, der noch die Wärme des vorherigen Benutzers ausstrahlte, sprang er auf wie von der Tarantel gestochen. Er gehörte zu den Menschen, von denen man sich nicht vorstellen konnte, daß sie einmal jung gewesen waren. Der Ausdruck der Indignation angesichts all der Unzulänglichkeit in seiner Umgebung verließ ihn nie; er litt, weil er keinen zu seiner Pedanterie bekehren konnte. Mit dem Rotstift in der Hand kontrollierte er zwanzigmal hintereinander ...
    Pirx erstarrte. Dann richtete er sich so vorsichtig auf, als wäre sein Körper aus Glas. Seine Gedanken, die inmitten wirrer Erinnerungen umherirrten, waren gegen ein unsichtbares Hindernis gestoßen, und das war wie ein Alarmsignal. Was eigentlich? Daß Cornelius niemand hinter sich ertragen konnte? Nein. Daß er seine Untergebenen piesackte? Was besagte das schon! Nichts. Aber irgendwo in dieser Richtung ... Er war wie ein kleiner Junge, der blitzschnell die Hand geschlossen hat, um einen Käfer zu fangen, und der jetzt die geballte Faust vor der Nase hält, voller Bangen, sie zu öffnen. Langsam. Allerdings war Cornelius für seine Kulthandlungen berühmt. (War es das ...? Er hielt sich probeweise bei dem Gedanken auf.) Wenn irgendwelche Vorschriften, ganz gleich welche, verändert wurden, dann schloß er sich mit dem amtlichen Schreiben in seiner Kajüte ein und verließ sie nicht, ehe er sich alle Neuerungen ins Gedächtnis gehämmert hatte. (Das war jetzt wie das Kinderspiel »heiß – kalt«. Er spürte, daß er sich vom Ziel entfernte ...) Vor neun, nein, vor zehn Jahren hatte er ihn zum letztenmal gesehen. Er war irgendwie untergetaucht, seltsam plötzlich, auf dem Gipfel des Ruhms, den er der Erforschung des Neptun verdankte. Es hieß, er würde nur vorübergehend als Dozent für Navigation arbeiten und dann an Bord zurückkehren, aber er war nicht zurückgekehrt. Ganz natürliche Sache, er war fast fünfzig. (Wieder nicht das Richtige.) Der anonyme Brief (dieses Wort war wer weiß woher aufgetaucht) ... Was für ein anonymer Brief? Daß er krank war und dies zu verheimlichen

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