Pitch Black
abzusagen, dann nicht.« Bei dem neckischen Tonfall fiel die Anspannung gleich etwas von ihr ab. Sie nahm ihn nicht einmal ins Gebet, weil er sie Maddie genannt hatte–einzig ihr Vater nannte sie Maddie. Das Arschloch.
So weich wie Gabe dieses Wort aussprach, klang der Spitzname längst nicht so ärgerlich.
»Ich rufe wegen Ethan an«, sagte sie.
»Oh?«
»Na ja, wahrscheinlich ist es nichts…«
»Immer raus damit.«
»Er ist immer noch nicht vom Campingausflug mit Mr McPherson zurück.«
»Wenn sich jemand mit diesem Berg auskennt, dann ist es Steve McPherson. Er verbringt dort oben mehr Zeit als hier in der Stadt.«
»Schon, aber…zwei Stunden…«
»Das ist doch gar nichts, wenn man bei dem Regen die Campingausrüstung mitsamt Teenagern vom Berg runterschaffen muss.«
»Glaubst du?«
»Allerdings. Aber wenn du dich dann besser fühlst, kann ich ja mal zu dem Pfad fahren, wo Steve immer parkt, und nach dem Rechten sehen.«
»Ich belästige dich nur ungern…«
»Kein Problem.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Wie wär’s, wenn ich dich abhole, dann kannst du mir Gesellschaft leisten.«
Selbst die Initiative zu ergreifen, wäre ihr wesentlich lieber, als nur daheim herumzusitzen und sich alle möglichen schrecklichen Dinge auszumalen. Außerdem, kam ihr in den Sinn, könnte sie bei der Gelegenheit gleich die Verabredung absagen.
»Und was ist, wenn sie zwischenzeitlich auftauchen?«, fragte sie.
»Hat Ethan einen Schlüssel?«
»Ja.«
»Schreib ihm einen Zettel. Wenn er nach Hause kommt, kann er auf dem Handy anrufen. Abgesehen davon hat die Straße nur zwei Spuren. Wenn sie uns entgegenkommen, können wir sie kaum übersehen.«
Sie zögerte.
»Maddie«, seufzte er. »Der Junge hat ganz allein auf den Straßen dieser Yankeestadt überlebt. Eine Stunde allein in deinem gemütlichen Haus sollte da für ihn keine allzu große Herausforderung sein.«
»Du hast recht.« Ihre Stimme klang nicht sehr überzeugt. »Klar hast du recht. Ich ruf nur noch mal kurz Jordans Mutter an, ob sie schon irgendwas gehört hat.«
»In fünfzehn Minuten bin ich da.«
»Okay.« Sie wollte schon auflegen, sagte aber noch: »Gabe?«
»Ja?«
»Ich weiß schon, dass ich mich wahrscheinlich ziemlich dumm benehme. Danke für deine Geduld.«
»Ist mir ein Vergnügen, mit dir Geduld zu haben, das kannst du mir glauben.«
Sie hörte noch sein leises Lachen, ehe er auflegte.
Strömender Regen prasselte auf Gabes Geländewagen nieder. Der Wind schüttelte den Wagen, als wäre er aus Pappe. Obwohl die Scheibenwischer schon auf höchster Stufe liefen, war ihre Sicht alles andere als gut. Unwillkürlich beugte sich Madison vor und versuchte angestrengt, die felsigen, überwucherten Straßengräben beiderseits der gewundenen, schmalen und unbefestigten Straße zu erkennen.
Den Griff der Beifahrertür hielt sie so fest, dass ihre kalten Hände ganz weiß wurden.
Gabes Jeep hatte schon einige Jahre auf dem Buckel und reagierte auf die Schlaglöcher in etwa so elegant wie ein Holztransporter. Mehr als einmal kam der Wagen an dem schlammigen Hang kurz ins Rutschen.
Schon an einem sonnigen Tag würde sich ihr Magen bei einer Tour ins Gebirge schön bedanken. Wenn sie selbst am Steuer säße, wäre ihr bei diesem Wetter bereits übel; und als Beifahrerin erging es ihr nicht viel besser. Als sie es wagte, die Straße einen Moment aus den Augen zu lassen und einen kurzen Blick auf Gabe zu werfen, sah sie, dass er völlig entspannt das Steuer hielt. Nicht das geringste Zeichen von Anstrengung, im Gegenteil, er lächelte sogar.
»Du siehst aus, als würde dir das richtig Spaß machen«, sagte sie.
Er sah sie an, sein Lächeln wurde breiter. »Stimmt.«
»He!« Sie zeigte nach vorn. »Schauen Sie gefälligst auf die Straße, Mister.«
Leise lachend gehorchte er. »Wie könnte sich ein Mann auch nicht amüsieren, wenn er derart von einer Frau herumkommandiert wird?«
»Ich will bloß gesund und möglichst in einem Stück von diesem Berg wieder herunterkommen. Anlächeln kannst du mich auch noch später.«
Er sah sie wieder direkt mit seinem unschuldigen, ach so zweideutigen Lächeln an. »Aber mit Vergnügen.«
»Die Straße«, befahl sie. Maultierpfad wäre die angemessenere Bezeichnung gewesen. Der Weg war mittlerweile so schmal, dass das Gestrüpp beinahe seitlich am Wagen entlangkratzte.
Kurz darauf wurde er langsamer. Der Jeep hüpfte über den seichten Graben, und Gabe fuhr durch eine Lücke in der
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