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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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Maschinen würden dicht über sie hinwegfliegen, so viel stand fest. Sie würden den gelandeten Suchtrupps Feuerschutz geben. Der Gedanke nahm ihr jegliche Kraft, sie lehnte sich an den Mercedes – den schweren Mercedes, den Cam vermutlich ausgewählt hatte, weil das solide Blech dem Gewehrfeuer noch am ehesten gewachsen sein würde.
    Bitte, lieber Gott, dachte sie.
    Newcombe kam im Zickzack durch die Wrackteile und Skelettreste gelaufen. Er war mit Ameisen bedeckt, konnte sie aber nicht abschütteln, da er mit beiden Armen seinen Rucksack an die Brust presste. Er sprang hierhin und dorthin und prallte gegen einen großen grauen SUV.
    Cam riss ihn zu sich herüber. Die beiden Männer stürzten, und dann schienen sie zu kämpfen. Sie droschen aufeinander ein und versuchten mit jedem Hieb so viele Ameisen wie möglich zu zerdrücken. Die Insekten stellten nicht nur wegen ihrer Bisse oder Stiche eine Gefahr dar. Da sie sich schon seit Langem in der Stadt befanden, schleppten sie vermutlich jede Menge Nanos mit sich herum, und mit jeder noch so kleinen Wunde konnte die Pest direkt in Newcombes Blut eindringen. Aber sie hatten nicht die Zeit, jede einzelne in seiner Ausrüstung verborgene Ameise aufzuspüren. Newcombe kroch auf allen vieren zu seinem Gewehr, das er hatte fallen lassen, und Cam angelte sich seinen Rucksack, um ihn hinter den Mercedes zu zerren.
    »Hierher!«, schrie Cam. »Hier herüber!«
    Die Helikopter waren jetzt endgültig gestartet und zerhackten die Luft mit ihrem rhythmischen Dröhnen. Jeden Moment würden sie jenseits des Transporters auftauchen. Ruth warf einen Blick auf den Mercedes und versuchte abzuschätzen, ob sie und Cam darunterpassten. Auf gar keinen Fall mit ihrem Gepäck.
    Dann fiel ihr Blick auf Newcombes Rucksack, und nun dämmerte ihr die Wahrheit. Die Verschlussklappe stand offen, und Ruth erspähte ihr Funkgerät, einen Verbandskasten und Socken. Aber keinen Proviant.
    Die Köder waren Cams Idee gewesen, als sie die Läden und Häuser ihrer Umgebung auf der Suche nach etwas Essbarem durchstreiften. Alle in Kartons oder Tüten aufbewahrten Vorräte waren mitsamt der Verpackung gefressen. Deshalb stopften Cam und Newcombe so viele Dosen mit Schweinefett und Sirup in ihre Rucksäcke, wie sie nur tragen konnten. Es war ein schlauer Plan. Da es außer ihnen keine lebenden Wärmequellen hier unten gab, konnte man sie mit Suchgeräten verhältnismäßig schnell aufspüren. Sechsmal war Newcombe mittlerweile nach Norden oder zurück nach Westen gelaufen, um Futterfallen aufzustellen, die massenweise Schaben, Ameisen, Käfer und Fliegen anlockten. Massenweise Wärme und Lärm. Vor zwei Tagen hatte er sich wieder zu ihnen gesellt, als diesige schwarze Wolken am Horizont aufstiegen und sich ein wildes Getümmel rivalisierender Schwärme und Kolonien entspann. Und das war mindestens eine Meile entfernt gewesen. Wie viele Dosen hatte Newcombe geöffnet?
    Cam übersprühte sie regelmäßig mit einem stinkenden Gemisch aus Insektenspray und Parfüm. Ja, Parfüm: um den Säugetiergeruch ihres Schweißes und ihrer Pheromone zu überlagern. Aber sie waren nicht mehr als zwanzig Meter von dem Transporter entfernt. Wenn es hier einen Schwarm gab, dann befanden sie sich mittendrin.
    Ruth ballte die linke Hand zur Faust, wie um sich zu bestrafen – eine neue Angewohnheit in ihrem ständigen Kampf um Selbstbeherrschung. Wenige Tage zuvor waren beide Knochen oberhalb des Handgelenks gebrochen, und der Schmerz an der Bruchstelle verschaffte ihr immer eine Ablenkung. Sie wollte eher so wie ihre Freunde sein: hart und unerbittlich zu sich selbst. Ihr Rucksack war der leichteste. Ungeschickt nahm sie ihn auf, beeinträchtigt durch die Schiene. Irgendwie war ihre schmuddelige Maske nach unten gerutscht, und sie atmete tief durch, ohne jede Reue. Die Luft schmeckte nach Staub und heißer Sonne.
    Ruth verwahrte die Datensammlung aus dem Archos-Labor , ein paar CD-ROMs und einen Probenbehälter mit den Nano-Strukturen. Außerdem schleppte sie eine Handgranate mit, weil sie es für besser hielt, das Material zu zerstören, als es in die falschen Hände geraten zu lassen. Eine brutale Alternative, aber verständlich, denn ihr Abwehr-Nano ließ sich nicht nur im Kampf gegen die Maschinenpest verwenden, sondern auch als neuartige Waffe einsetzen. Das hatte Leadville bewiesen, als es mittels einer unausgereiften Nano-»Schneeflocke« sechzehnhundert Menschenleben auf dem White River Plateau ausgelöscht hatte –

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