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hat, besteht die Gefahr, daß man ihr Fortschrittsfeindlichkeit oder sogar Obskurantismus vorwirft; das ist eine Gefahr, gegen die sie sich und damit auch die Institution schützen muß. Und so steht sie in ständigem Kontakt mit Künstlern, Galeristen und Herausgebern von Zeitschriften, die mir ziemlich obskur vorkommen; Telefongespräche versetzen sie immer wieder in Freude, denn ihre Leidenschaft für zeitgenössische Kunst ist nicht geheuchelt. Was mich angeht, stehe ich der Kunst nicht feindlich gegenüber: Aber ich bin eben kein Insider dieses Metiers und auch kein Verfechter der Rückkehr zur Tradition in der Malerei; ich nehme stets die reservierte Haltung ein, die dem Buchhaltungsangestellten angemessen ist. Für ästhetische und politische Fragen bin ich nicht zuständig, meine Aufgabe ist es nicht, neue Einstellungen oder Beziehungen zur Welt zu entwickeln oder zu vertreten. Ich habe in dem Augenblick darauf verzichtet, als meine Schultern sich zu wölben begannen und mein Gesicht immer trauriger wurde. Ich habe so manche denkwürdig gebliebene Ausstellung, Vernissage und Performance besucht. Die Schlußfolgerung, die ich daraus gezogen habe, steht unwandelbar fest: Die Kunst kann das Leben nicht verändern. Auf jeden Fall nicht mein Leben.
Ich hatte Marie-Jeanne von dem Trauerfall unterrichtet; sie empfing mich voller Mitgefühl und legte mir sogar die Hand auf die Schulter. Mein Urlaubsgesuch kam ihr völlig normal vor. »Du mußt einfach mal Bilanz ziehen, Michel«, meinte sie, »dich wieder dir selbst zuwenden.« Ich versuchte, mir die vorgeschlagene Bewegung bildlich vorzustellen, und schloß daraus, daß sie zweifellos recht hatte. »Cécilia kann die Budgetkosten an deiner Stelle fertig machen«, fuhr sie fort, »ich spreche mit ihr darüber. « Worauf spielte sie eigentlich an, und wer war diese Cécilia? Ich blickte mich um und entdeckte den Entwurf für ein Plakat, und dann fiel es mir wieder ein. Cécilia war eine dicke rothaarige junge Frau, die ständig Cadbury-Riegel aß und seit zwei Monaten in der Abteilung arbeitete: Sie hatte einen zeitlich befristeten Vertrag oder eine ABM-Stelle, kurz gesagt, sie war jemand, der ziemlich belanglos war. Und tatsächlich, kurz vor dem Tod meines Vaters hatte ich an den Budgetkosten für die Ausstellung »Hände hoch, ihr Schlingel!« gearbeitet, die im Januar in Bourg-la-Reine eröffnet werden sollte. Es handelte sich um Fotos vom brutalen Vorgehen der Polizei im Departement Les Yvelines, die mit dem Teleobjektiv aufgenommen worden waren; das Ganze war aber nicht als Dokumentation aufgezogen, sondern eher als Theatralisierungsprozeß des Raums, begleitet von kleinen Anspielungen auf verschiedene Krimiserien, die das Los Angeles Police Department als Rahmen hatten. Der Künstler hatte einen humorvollen statt des zu erwartenden gesellschaftskritischen Ansatzes bevorzugt. Kurz gesagt, ein interessantes Projekt, das weder zu teuer noch zu komplex war; selbst eine Nulpe wie Cécilia war fähig, die Sollkostenrechnung durchzuführen.
Wenn ich aus dem Büro kam, sah ich mir im allgemeinen erst mal eine Peepshow an. Das kostete fünfzig Franc oder manchmal siebzig, wenn die Ejakulation auf sich warten ließ. Der Anblick von sich bewegenden Mösen brachte mich auf andere Gedanken. Die widersprüchlichen Tendenzen der zeitgenössischen Videokunst, das Gleichgewicht zwischen Erhaltung des Kulturguts und Unterstützung des lebendigen Kunstschaffens ... all das verschwand schnell vor der einfachen Magie sich bewegender Mösen. Ich entleerte gemächlich meine Hoden. Zur gleichen Zeit stopfte sich Cécilia in einer Konditorei in der Nähe des Ministeriums mit Schokoladenkuchen voll; unsere Motivation war in etwa die gleiche.
Nur ganz selten nahm ich mir eine Privatkabine für fünfhundert Franc; und zwar nur, wenn mein Pimmel nicht auf der Höhe war, wenn ich den Eindruck hatte, daß er einem kleinen anspruchsvollen, nutzlosen Fortsatz ähnelte, der nach Käse roch; dann war es mir ein Bedürfnis, daß ihn eine Frau in die Hand nahm und über die kraftstrotzende Steifheit des Glieds und seinen Samenreichtum in Ekstase geriet, auch wenn die nur geheuchelt war. Wie dem auch sei, ich war vor halb acht wieder zu Hause. Ich begann mit der Sendung »Fragen an den Champion«, die ich auf meinem Videorecorder mit Hilfe der Vorprogrammierung aufgenommen hatte; dann folgten die Nachrichten. Die Krise des Rinderwahns interessierte mich nicht sonderlich, ich ernährte
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