drückte sie auf eine Sprechanlage und sprach hinein: «Frau Asmus, ich brauche Watte in Behandlungszimmer eins.»
«Watte, wieso brauchst du Watte?», fragte ich irritiert.
«Um die Instrumente etwas zu säubern.»
«Ach so», erwiderte ich.
«Und zum Blutstillen.»
«ZUM BLUTSTILLEN?!?»
Ich konnte es nicht fassen.
«Keine Sorge», sagte Olivia.
Keine Sorge? Keine Sorge?!? Die blöde Kuh hatte gut reden, sie war ja auch auf der richtigen Seite des Bohrers.
«Mach einfach eine Handbewegung, wenn es wehtut», schlug sie vor.
Sie machte den Bohrer an, der surrte los, und ich wedelte augenblicklich mit meiner Hand, bevor der Bohrkopf sich meinem Mund nähern konnte.
«Das kann doch noch gar nicht weh getan haben», erklärte Olivia und drückte mich in den Sessel. Der Bohrer surrte nun vor meinem Gesicht, jetzt konnte ich nicht mehr fliehen, ohne dass das Ding mir ein Zickzack-Muster in die Wange ritzen und ich dann aussehen würde, als wäre ich einem Tätowierer in die Hände gefallen, der an Parkinson litt.
Der Bohrer enterte meinen Mund, und Olivia sagte: «Oh, jetzt habe ich ganz vergessen, dich zu fragen, ob du eine Betäubung willst. Ist doch okay so, oder?»
Als sie das fragte, glaubte ich bei Olivia die Andeutung eines sadistischen Lächelns zu sehen. Und meine fuchtelnde Handbewegung übersah sie dabei geflissentlich.
3
Zehn Minuten später saß ich da mit Schmerzen und jeder Menge Watte im Mund. Olivia hatte den Bohrer ausgestellt und fragte: «So schlimm war es doch nicht, oder?»
Doch, es war sogar unglaublich schlimm. Aber ich wollte Olivia nicht die Genugtuung geben, das einzugestehen. Deswegen machte ich tapfer ein Daumen-hoch-Zeichen. Mit der ganzen Watte im Mund konnte ich kein Wort herausbringen.
Im Radio spielten sie gerade Abba. Mir schoss durch den Kopf, dass Abba sich einst nach den Anfangsbuchstaben ihrer Gründungsmitglieder - Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid benannt hatte, und ich fragte mich, wie Abba wohl geheißen hätte, wenn die Namen Frieder, Bjarne, Merle und Friedafrid gelautet hätten. FBMF? Oder was wäre gewesen, wenn die Musiker folgende Namen gehabt hätten: Frietjof, Ulla, Catherine und Karlsson?
In diesem Augenblick eilte Jan, ebenfalls im Kittel, ins Zimmer und berichtete empört: «Da hat sich jemand als Frau Reiter ausgegeben, die steht jetzt im Wartezimmer und ist total aufgebracht...»
Da entdeckte er mich und blieb mitten in der Bewegung stehen. Er sah für seine fast vierzig immer noch toll aus, so viel besser als ich mit vierunddreißig. Ich war bei seinem Anblick völlig hin und weg. Ich liebte diesen Mann. Über alles!
Jan war hingegen weniger hin noch weg, sondern einfach nur völlig verblüfft: «Rosa... hast du dich als Frau Reiter ausgegeben?»
Ich hatte keine Ahnung, was ich antworten sollte. Aber ich konnte Jan noch nie anlügen, und daher nickte ich leicht.
«Warum?», wollte er nun wissen.
«Weil sie betrunken ist», erläuterte Olivia.
Jan näherte sich meinem Mund und schnupperte meine Fahne. Besorgt sagte er: «Ach du meine Güte, das stimmt ja.»
Ich wäre am liebsten vor lauter Scham im Zahnarztstuhl versunken. Meine große Wiedereroberungsaktion hatte ich mir irgendwie ganz anders vorgestellt.
«Warum bist du hier?», wollte Jan nun mit unsicherer Stimme wissen.
Ich stand auf und nahm mir die Watte aus dem Mund. Es tat zwar sehr weh, aber das war mir jetzt egal. Hollywoodheldinnen kennen keinen Schmerz.
«Das ist nicht gut für das Heilen der Wunde», tadelte Olivia.
«Da hat sie recht», erklärte Jan.
Es war herzerwärmend zu erleben, dass er sich immer noch um mich sorgen konnte.
«Ich muss dir dringend etwas sagen», erklärte ich Jan. Dann deutete ich auf Olivia und ergänzte: «Unter vier Augen.»
Jan zögerte. Olivia machte das sichtlich nervös.
«Du wirst doch nicht auf diese Frau hören?», fragte sie mit einem leicht panischen Unterton.
Dass sie Angst hatte, gefiel mir. Anscheinend nahm sie mich noch als Bedrohung wahr. Das war ein gutes Zeichen.
sang nun . Gleich würde sich herausstellen, wer von uns beiden der sein sollte.
«Bitte warte draußen», bat Jan. Olivia konnte es nicht fassen. Aber Jan blieb mit seinem Blick standhaft, so verließ sie wortlos das Behandlungszimmer. Und ich nahm das ebenfalls als gutes Zeichen: Für mich schickte Jan seine zukünftige Braut weg. Durfte ich da etwa nicht hoffen?
«Also, Rosa... was willst du mir sagen?», fragte