Ploetzlich Shakespeare
begründet. Gab es doch viele Frauen, die sie an Schönheit übertrafen. Dies konnte man Diana allerdings nicht zum Vorwurf machen, schließlich besaß sie schon ein reifes, fast überreifes Alter, war sie doch siebenundzwanzig Jahre alt.
Und was ihre Liebeskünste betraf nun, die waren lediglich mäßig entwickelt. Um der Wahrheit Genüge zu tun, hätten sie Grund gegeben, Klagegesänge anzustimmen.
«Das wirst du sühnen, Shakespeare!» Der Zorn des mit einem feinen Ballonhemd und enganliegenden Seidenhosen elegant gekleideten Edelmannes ließ seine Adern so hervortreten, dass ich durchaus auf eine schnelle Rettung durch einen plötzlichen Schlaganfall seinerseits hoffen mochte.
Die zitternde Diana betrachtete indessen furchtsam ihren Ehemann und beschloss, sich mit einer Ohnmacht aus der Affäre zu ziehen.
«Mir schwindelt es», rief sie schrill aus, wohl hoffend, dass einer von uns beiden sie auffangen möge. Sie sank zu Boden. Doch keiner von uns beiden eilte zu Hilfe.
Ich nicht, weil mein nackter Hals von dem Schwerte bedroht war, und Sir Francis nicht, weil er viel zu sehr damit beschäftigt war, mir die Klinge an den Hals zu halten. Diana stieß mit dem Kopf gegen den aus edlen Hölzern der neuen Länder geschnitzten Bettpfosten, was ein hohles Geräusch verursachte, von dem man sich nicht ganz sicher sein konnte, ob es von dem Bettpfosten stammte oder von Dianas Kopf.
Ich sah kurz hinab und empfand sogar etwas Mitleid mit ihr, aber nicht halb so viel wie mit mir selbst: Sir Francis würde mich hier auf der Stelle auf seinem Bärenfell mit einem Schwerthieb töten. Ich würde also nie die großen Theaterstücke schreiben dürfen, von denen ich seit meiner Kindheit im kleinen Stratford träumte, sondern nur bekannt für die mittelmäßigen sein, die ich bisher geschrieben hatte. Ich würde nie reich werden und nie wieder dem bedeutungslosen Beischlaf mit schönen Frauen frönen. Auch würde ich nie mehr mit meinen lieben Schauspielerfreunden raufen, saufen und huren, oder ihnen dabei zusehen, wie sie für hohe Summen um die Wette furzten... gut, auf Letzteres mochte ich womöglich noch verzichten...
Aber vor allen Dingen würde ich nie wieder meine Kinder sehen, nie wieder ihr wunderbares Lachen hören dürfen ...ein Gedanke, der mir unendliche Trauer bereitete.
«Wehr dich, Shakespeare!», unterbrach Drake meine sentimentalen Gedanken an das Leben, das ich nicht mehr weiterführen durfte.
«Eine exzellente Idee», erwiderte ich, «doch wie soll ich mich wehren, wo Sie mir doch die Klinge an den Hals legen?»
Drake zog ein weiteres Schwert aus einer Halterung an der Wand und warf es mir zu. Ich fing es nicht sonderlich elegant auf, war es doch viel größer als die Klingen, mit denen wir auf der Bühne unsere Theater-Scheingefechte aufführten. Das Schwert lag schwer in meiner Hand. Jetzt galt es: Ich konnte um mein Leben betteln wie eine jämmerliche Maus oder gegen den besten Fechter des Königreichs um mein Leben kämpfen wie ein echter Mann!
Ich entschied mich für die jämmerliche Maus.
«Verschont mich», bettelte ich und kniete mich auf den Boden. «Bitte tötet mich nicht, edler Lord, gewähret Gnade.»
Mein Verhalten war eingestandenermaßen nicht sehr würdevoll, doch dafür klug und weise, denn was half einem all die Würde, wenn man seinen Kopf unter dem Arm trug?
«Ob du dich wehrst oder nicht, Shakespeare, deine Tat muss gesühnt werden.» Drake hob das Schwert zum Schlag. Diana wachte auf, sah, dass ihr Ehemann mich enthaupten wollte, und schloss schnell wieder die Augen.
So kam ich nicht weiter. Rasch änderte ich meine Taktik. «Ich werde euch nie wieder Hörner aufsetzen, habe ich doch keinerlei Verlangen mehr nach eurem Weibe. Sie wissen doch, sie ist im Bett wie ein Brett.»
Jetzt öffnete Diana wieder die Lider und rief aus: «Enthaupte ihn!»
«Ich werde deinen Kopf vor den Stadttoren aufspießen!», zürnte Drake und ging einen Schritt auf mich zu.
Da ich nicht als krude Belustigung für verrohte Bauern enden wollte, die nach London kamen, um ihre Waren feilzubieten, suchte ich hastig nach einem Ausweg aus meiner furchtbaren Lage. Und der einzige Ausweg bestand in einer klugen Finte: «Sir Francis, hinter Ihnen...!»
Ich gestehe ein, es war keine besonders originelle Finte, eher eine, wie man sie in einem miesen komödiantischen Werk eines meiner Dramatikerkollegen fand, aber sie erfüllte ihren Zweck. Sir Francis, der es gewohnt war, dass ihm katholische
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