Ploetzlich verliebt
nie, nie jemandem verraten, auch nicht Luna und Marli.
Oder, na ja, zumindest nicht sofort.
Ich spuckte den Zimtkaugummi in hohem Bogen vom Dach und seufzte. Wenn Luna recht behielt und ich mich erst noch dreiundzwanzig oder achtzehn Mal oder was weià ich wie oft verlieben musste, war es besser, meine Zeit ab sofort damit zu verbringen, nicht mehr an Henri zu denken. Nicht an seine ganz bestimmt sehr weichen Lippen und schon gar nicht an Gewitterwolken und Ozeane, denn wenn ich es tat, bebte alles in mir. Am liebsten wollte ich mir das ECHTE, das WAHRE Verliebtsein für ihn aufsparen, also mich ganz schnell noch so oft wie möglich verknallen und dann erst wieder an ihn denken. Deswegen überlegte ich mir meine eigene Abkürzung dafür (das habe ich mir von Luna abgeguckt). NAHD â N icht- A n- H enri- D enken.
Zumindest bis nächsten Dienstag.
In diesem Moment riss mich Marlis Stimme aus meinen Henri-freien Gedanken. »Wenn ich mir die beiden love birdies so anschaue«, murrte sie und stützte das Kinn in die Hände, »dann können wir heute das Staffelende von Blood Diary wohl knicken, oder?«
Ich blinzelte ein paar Mal, bis ihre Worte mein Hirn erreicht hatten. Seriegucken fiel heute aus?! Oh nein. Ich freute mich schon die ganze Woche darauf. Blood Diary war unsere absolute Lieblingsserie, Luna und ich hatten uns zusammen schon durch beinahe sieben Staffeln geguckt. Marli hat sie bereits in Amerika gesehen und weià deshalb sogar schon, wie die siebte Staffel endet. Ständig sagt sie so Sachen wie »Der absolute Hammer, ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen, was da noch passiert, Wahnsinn. Ich kann es kaum erwarten, eure Gesichter zu sehen« und so weiter, Palaver. Das macht ihr einen RiesenspaÃ.
Irgendwann hab ich ihr erklärt, dass sie mit den Spielchen aufhören könnte, weil es für Luna schlieÃlich ein Leichtes wäre, mal schnell in die Zukunft zu gucken und selbst herauszufinden, wie die Staffel endet. AuÃerdem drohte ich ihr damit, dass ich mich gleichzeitig mit meinem Ring in die Vergangenheit beamen würde, zurück zu dem Abend, an dem sie damals in Amerika die siebte Folge der zweiten Staffel gesehen hatte.
Wir streiten nämlich immer darüber, ob es auch nur einen einzigen Menschen auf der Welt gibt, der bei jener Folge in der zweiten Staffel, als Jimmy starb, nicht in Tränen ausgebrochen ist. Marli behauptet, sie wäre dieser einzige Mensch. Und ich drohe ihr gelegentlich damit, das mit einem kurzen Trip in die Vergangenheit zu überprüfen. Ich bin mir sicher, dass es den einen oder anderen peinlichen Moment gab, wo sie allein in ihrem Bett lag und wegen Jimmy Rotz und Wasser geheult hat.
Jetzt hier auf der Hütte richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das MTK-Projekt zwei Meter weiter unten. MTK ist, wie auch deluxe ©, eine von Lunas Wortschöpfungen: M it- T om- K nutschen. Das Projekt dehnte sich ziemlich aus, und da es so lange dauerte, rollte ich mich auf den Rücken und starrte in den Herbsthimmel. Der war jetzt wirklich schon deutlich abendlich dunkelrosa geworden. Ein paar graue Schleier darin â wahnsinnig romantisch. NAHD!!!, rief ich mir in Erinnerung.
So langsam wurde es kühl auf dem Dach. Ich wühlte in meiner Tasche herum, die groà ist wie eine Einzimmerwohnung, und zog meine gelbe Jeansjacke und einen Wollschal heraus. »Schöner Mist. Blood Diary müssen wir dann wohl verschieben.«
»Na ja, ich könnte dir ja schon mal verraten, dass Luzie, die Tochter Satans, in Wahrheit eigentlich jemand ganz anderes ist. Nämlich â¦Â«
»Lalalalala!« Ich hielt mir die Ohren zu und sah nur noch, wie ihre Lippen sich bewegten. »Nix!«, rief ich. »Ich will das nicht wissen.«
»Stimmt eh nicht«, erklärte Marli, als ich die Hände wieder von den Ohren nahm. »War nur ein Witz.«
Offenbar hatten Luna und Tom unten längst die nächste Knutschrunde eingeläutet. Aber ohne Luna das Staffelende zu schauen, war undenkbar.
»Ja, du hast recht, Blood Diary verschieben wir. Wir müssen alle drei dabei sein«, sagte ich deshalb. Denn seit wir zu dritt sind und obwohl Luna und Marli oft ziemlich rau miteinander umgehen, kann ich mir ein Leben ohne die beiden gar nicht mehr vorstellen. »WeiÃt du, was, Marli? Ich finde irgendwie, seit du bei uns bist, waren Luna und ich zu zweit immer eine zu wenig.«
Ich war mir jetzt nicht
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